Dr. med. Daniela Bellmann, Dr.-Ing. Steffen Brückner
a) Qualifikation der Gutachter
Rz. 8
Die Gruppe der Gutachter, die morphologische Identitätsbegutachtungen auf der Grundlage von Bildvergleichen durchführen, ist hinsichtlich ihrer Ausbildung sehr inhomogen. Gesetzliche oder standesrechtliche Voraussetzungen, die zum Tragen dieser Tätigkeitsbezeichnung berechtigen, existieren nicht. Viele der auf diesem Gebiet tätigen Personen haben ein Studium der Humanmedizin oder Anthropologie absolviert und arbeiten als Rechtsmediziner oder forensische Anthropologen. Darüber hinaus gibt es jedoch auch eine große Anzahl von Sachverständigen, die Angehörige der Polizei sind oder eine technische Ausbildung absolviert haben. Wichtig sind die im Rahmen eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer eigenständigen Weiterbildung erworbenen Kenntnisse der menschlichen Anatomie und Morphologie, das Studium der einschlägigen Literatur, langfristige Erfahrung und regelmäßiger fachlicher Austausch mit anderen Sachverständigen, die auf demselben Gebiet arbeiten. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann somit nur durch eine individuelle Überprüfung, z.B. in einem persönlichen Gespräch mit dem Gutachter eruiert werden.
I.Ü. gelten jedoch auch für Identitätsgutachten die allgemeinen Anforderungen an Gutachten, wie eine klare Gliederung, Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerungen, Verständlichkeit und Unparteilichkeit (s.a. die Ausführungen unter "Grundlegender Aufbau eines Gutachtens", Rdn 51 ff.).
b) Stellung der Gutachter vor Gericht
Rz. 9
Der Gutachter fungiert lediglich als Erfüllungsgehilfe der beauftragenden Institution oder Person. Ziel eines Identitätsgutachtens ist die allgemein verständliche und nachvollziehbare Gegenüberstellung gleicher und gegensätzlicher morphologischer Merkmale bei den zu vergleichenden Personen. Auf Grundlage dieser Darstellung soll der Auftraggeber in die Lage versetzt werden, durch eigene Anschauung und Überzeugungsbildung das Maß der morphologischen Gleichheit beider Personen zu erkennen sowie den Einfluss technischer Parameter auf die Beurteilung einzuschätzen. Ziel eines morphologischen Identitätsgutachtens ist es hingegen nicht, sich auf Identität oder Nichtidentität der zu vergleichenden Personen eindeutig festzulegen.
c) Auftraggeber und Gutachtenarten
Rz. 10
Die Beauftragung eines Identitätsgutachtens kann z.B. im Rahmen eines Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahrens zur Klärung der Fahreridentität durch ein AG oder den RA des Beschuldigten erfolgen.
Rz. 11
Im Rahmen von Strafverfahren, wie z.B. bei Scheckkartenbetrug oder Raubüberfällen auf videoüberwachte Objekte (z.B. Banken, Einkaufsmärkte) werden die Aufträge i.d.R. durch die ermittelnde Kriminalpolizeibehörde, die StA bzw. ein AG oder LG erteilt.
Rz. 12
Im zivilrechtlichen Bereich sind Anfragen nach Gutachten auf diesem Gebiet eher selten. In einigen Fällen kann ein Gutachten mit dem Ziel in Auftrag gegeben werden, die Übereinstimmung von Passbildern auf Ausweisdokumenten und dem Dokumenteninhaber zu überprüfen und somit einen Anhaltspunkt für die Richtigkeit derartiger Ausweise zu geben. Die Auftragserteilung kann hierbei genauso von einem involvierten RA ausgehen, wie von den Ermittlungsbehörden, der StA, dem Gericht oder im Fall von ausländischen Mitbürgern, den zuständigen Landesbehörden.
In einigen Fällen kommt es sowohl innerhalb von Zivil- als auch Strafverfahren zu Aufträgen hinsichtlich der Feststellung von Identität oder Nichtidentität von Körperteilen außerhalb des Kopfbereiches. Dabei handelt es sich z.B. um Arzthaftungsprozesse mit der Dokumentation von Behandlungsfolgen an Körperteilen in Patientenunterlagen oder um Verfahren, in denen Körperverletzungen u.a. Übergriffe ohne Darstellung der Gesichter der beteiligten Personen bildlich dokumentiert wurden und nun anderweitige morphologische Strukturen z.B. der Hände oder eines Beines hinsichtlich Identität oder Nichtidentität beurteilt werden sollen.
Rz. 13
Einige wenige Aufträge betreffen Bildvergleiche von Personen auf historischen Gemälden, wobei hier immer die gestalterische Freiheit des Künstlers berücksichtigt werden muss und keine exakte morphologische Kopie der tatsächlichen Person erwartet werden darf.