Dr. med. Daniela Bellmann, Dr.-Ing. Steffen Brückner
Rz. 31
Ein Objekt im Bildvordergrund, wie z.B. der Kopf kann mit abnehmendem Objektabstand bzw. mit zunehmender Brennweite größer dargestellt werden. Bei Verwendung von modernen Kameras findet sich häufig ein Hebel für die automatische Zoom-Funktion, d.h. die Verschiebung von Linsen mit Veränderung der Brennweite, die bei gleich bleibendem Kamera-Objekt-Abstand eine mehr oder weniger stufenlose Auswahl des Bildausschnittes ermöglicht.
Die Objektgröße kann aber auch durch den Kamera-Objekt-Abstand beeinflusst werden (s.a. Rdn 16 ff., "Beweisbilder"). Sind die Täter- bzw. Fahreraufnahmen aus einiger Entfernung angefertigt und ist somit nicht mit daraus resultierenden kamerabedingten Verzerrungen zu rechnen, so stellt sich die Frage nach dem idealen Aufnahmeabstand bei der Anfertigung von Vergleichsbildern. Ein für alle Gesichter idealer Abstand existiert nicht, was auf die Dreidimensionalität des Gesichtes, insb. auf das Gesichtsrelief zurückzuführen ist. So stellen sich reliefstarke Gesichter (z.B. solche mit prominenter Nase oder Kinn) bei einer mittleren Distanz bereits mit sog. "tonnenförmiger" Verzeichnung dar, wohingegen ein Gesicht mit eher flachem Relief aus dieser Entfernung bereits einen "abgeplatteten" Eindruck aufweisen kann. Trotzdem bleibt in der Praxis häufig die Forderung nach standardisierten Aufnahmebedingungen, insb. hinsichtlich des Kamera-Objekt-Abstandes. Im Rahmen einer Versuchsreihe wurde von Verhoff et. al. dieser Frage nachgegangen. Im Ergebnis ist bei Anfertigung der Vergleichsaufnahmen ein Abstand von ca. 2 m zwischen Kamera und abzubildender Person zu empfehlen. Dies entspricht auch eigenen, jedoch nicht durch Versuchsreihen verifizierten Erfahrungen.
Ist der Kamera-Objekt-Abstand sehr gering, wie dies z.B. häufig bei durch Bankomatkameras dokumentiertem Scheckkartenbetrug der Fall ist, sind die Verzerrungen bei der Abbildung des Täters teilweise sehr ausgeprägt. Dabei tritt überwiegend die sog. "tonnenförmige" Verzerrung auf (s.o.). In diesen Fällen ist es vorteilhaft zwei Arten von Vergleichsaufnahmen anzufertigen: Zum einen eine möglichst situationsgetreue Aufnahme der verdächtigten Person aus kurzem Abstand mit weitgehender Reproduktion der Bildverzeichnung; zum Zweiten eine Vergleichsaufnahme aus geeignetem Abstand (s.o.), um die Merkmale mit ihren Ausprägungen deutlich und objektiv festzuhalten.
Wenn möglich, ist insb. bei Vorliegen einer Verzerrung, die Anfertigung der Vergleichsfotografie mittels der Tatkamera anzustreben. Dies ist bei Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren aus praktischen Gründen weder möglich noch verhältnismäßig. Im Rahmen von Strafverfahren, bei Scheckkartenbetrug oder Raubeinbrüchen kann diese Möglichkeit eher in Betracht gezogen werden.