Rz. 29

Bei der Anfertigung der Vergleichsaufnahmen besitzen mehrere Faktoren einen großen Einfluss auf die spätere Erstellung des Gutachtens:

Bildausschnitt,
Kamera-Objekt-Abstand und Brennweite,
Kamera (Abbildungsfehler),
Auflösung,
Ausleuchtung,
Farbtreue,
Mimik,
Frisur,
Accessoires,
Perspektive.

(1) Bildausschnitt

 

Rz. 30

Eine geeignete Vergleichsaufnahme stellt den Kopf, den Hals sowie den oberen Anteil der Schultern bildfüllend dar, um so die größtmögliche Abbildung des Gesichtes und damit einhergehend die bestmögliche Auflösung der Einzelmerkmale zu gewährleisten. Die Größe des abzubildenden Objektes (hier der Kopf) wird durch folgende Faktoren beeinflusst:

die Brennweite des Objektivs,
dem Objektabstand,
der Größe des Films bei der analogen Fotografie,
der Größe des Bildsensors bei der digitalen Fotografie.

(2) Kamera-Objekt-Abstand und Brennweite

 

Rz. 31

Ein Objekt im Bildvordergrund, wie z.B. der Kopf kann mit abnehmendem Objektabstand bzw. mit zunehmender Brennweite größer dargestellt werden.[18] Bei Verwendung von modernen Kameras findet sich häufig ein Hebel für die automatische Zoom-Funktion, d.h. die Verschiebung von Linsen mit Veränderung der Brennweite, die bei gleich bleibendem Kamera-Objekt-Abstand eine mehr oder weniger stufenlose Auswahl des Bildausschnittes ermöglicht.

Die Objektgröße kann aber auch durch den Kamera-Objekt-Abstand beeinflusst werden (s.a. Rdn 16 ff., "Beweisbilder"). Sind die Täter- bzw. Fahreraufnahmen aus einiger Entfernung angefertigt und ist somit nicht mit daraus resultierenden kamerabedingten Verzerrungen zu rechnen, so stellt sich die Frage nach dem idealen Aufnahmeabstand bei der Anfertigung von Vergleichsbildern. Ein für alle Gesichter idealer Abstand existiert nicht, was auf die Dreidimensionalität des Gesichtes, insb. auf das Gesichtsrelief zurückzuführen ist. So stellen sich reliefstarke Gesichter (z.B. solche mit prominenter Nase oder Kinn) bei einer mittleren Distanz bereits mit sog. "tonnenförmiger" Verzeichnung dar, wohingegen ein Gesicht mit eher flachem Relief aus dieser Entfernung bereits einen "abgeplatteten" Eindruck aufweisen kann. Trotzdem bleibt in der Praxis häufig die Forderung nach standardisierten Aufnahmebedingungen, insb. hinsichtlich des Kamera-Objekt-Abstandes. Im Rahmen einer Versuchsreihe wurde von Verhoff et. al.[19] dieser Frage nachgegangen. Im Ergebnis ist bei Anfertigung der Vergleichsaufnahmen ein Abstand von ca. 2 m zwischen Kamera und abzubildender Person zu empfehlen. Dies entspricht auch eigenen, jedoch nicht durch Versuchsreihen verifizierten Erfahrungen.

Ist der Kamera-Objekt-Abstand sehr gering, wie dies z.B. häufig bei durch Bankomatkameras dokumentiertem Scheckkartenbetrug der Fall ist, sind die Verzerrungen bei der Abbildung des Täters teilweise sehr ausgeprägt. Dabei tritt überwiegend die sog. "tonnenförmige" Verzerrung auf (s.o.). In diesen Fällen ist es vorteilhaft zwei Arten von Vergleichsaufnahmen anzufertigen: Zum einen eine möglichst situationsgetreue Aufnahme der verdächtigten Person aus kurzem Abstand mit weitgehender Reproduktion der Bildverzeichnung; zum Zweiten eine Vergleichsaufnahme aus geeignetem Abstand (s.o.), um die Merkmale mit ihren Ausprägungen deutlich und objektiv festzuhalten.

Wenn möglich, ist insb. bei Vorliegen einer Verzerrung, die Anfertigung der Vergleichsfotografie mittels der Tatkamera anzustreben.[20] Dies ist bei Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren aus praktischen Gründen weder möglich noch verhältnismäßig. Im Rahmen von Strafverfahren, bei Scheckkartenbetrug oder Raubeinbrüchen kann diese Möglichkeit eher in Betracht gezogen werden.

[18] Verhoff MA, Gehl A, Kettner M, Kreutz K, Ramsthaler F (2009) Digitale forensische Fotodokumentation. Rechtsmedizin 19: 369 – 381.
[19] Verhoff MA, Witzel C, Kreutz K, Ramsthaler F (2008) The ideal subject distance for passport pictures. Forensic science international 178: 153 – 156.
[20] Ventura F, Zacheo A., Ventura A, Pala A (2004) Computerised anthromorphometrics analysis of images: case report. Forensic science international 146: 211 – 213.

(3) Auflösung

 

Rz. 32

Häufig wird als Wert für die theoretisch erreichbare Qualität, also die Auflösung eines Bildes, die Gesamtzahl der Bildpunkte (angegeben in Megapixel) bzw. die Anzahl der Spalten und Zeilen einer Rastergraphik angegeben. Hierbei spielt die Art und Weise der Wiedergabe (z.B. als Fotoabzug oder als Datei auf einem Bildschirm) eine Rolle, wobei gilt:

Je höher die Anzahl von Bildpunkten, Spalten oder Zeilen ist, desto eher erreicht man eine gute Bildqualität weitgehend unabhängig von der physikalischen Art und Weise der späteren Wiedergabe.

Die in der heutigen Zeit handelsüblichen Digitalkameras erfüllen mit den zur Verfügung stehenden mehreren Millionen Bildpunkten diese Anforderungen hinreichend und in der praktischen Arbeit ist immer ein Kompromiss zwischen einer guten Auflösung und einer vernünftigen Bild- bzw. Dateigröße anzustreben. Die tatsächliche Bildqualität hingegen wird darüber hinaus durch wesentlich mehr Faktoren bestimmt. Viel eher als v...

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