Dr. med. Daniela Bellmann, Dr.-Ing. Steffen Brückner
I. Einleitung
Rz. 105
Seit 1998 gilt im Bereich der Ordnungswidrigkeiten gem. StVG neben der Messung der Blutalkoholkonzentration (BAK) auch die Bestimmung der Atemalkoholkonzentration (AAK) als gerichtsverwertbar, sofern die entsprechenden Anforderungen an die AAK-Messung erfüllt sind. Hintergrund war eine nachvollziehbar angestrebte Beschleunigung der gerichtsverwertbaren Bestimmung des mutmaßlichen Alkoholisierungsgrades eines Verkehrsteilnehmers, die bei der Messung der AAK im Vergleich zur BAK nicht noch die Hinzuziehung eines blutentnehmenden Arztes erfordert und am besten noch vor Ort durchgeführt werden kann. Im Bereich des Strafrechtes wird der Einsatz der AAK-Messung nach wie vor kontrovers diskutiert. Auch aus gutachterlicher Sicht werden diese Bedenken weitestgehend geteilt.
II. Physiologische Grundlagen
Rz. 106
In der Gutachterpraxis begegnet einem immer noch Unverständnis dafür, dass die beiden Messgrößen AAK und BAK nicht stets in einem konstanten Verhältnis zueinander stehen und deshalb auch nicht mithilfe eines konstanten Umrechnungsfaktors (sog. Konversionsfaktor Q) ineinander umgerechnet werden können. Dieses Missverständnis beruht eventuell auf einem vom Gesetzgeber in § 24a StVG vorgegebenen konstantem Verhältnis zwischen AAK und BAK. Hier wird der Grenzwert der AAK mit 0,25 mg/L dem Grenzwert der BAK mit 0,50 ‰ (g/kg) gleichgesetzt, was als konstantes numerisches Verhältnis von eins zu zwei fehlinterpretiert werden könnte.
Rz. 107
Auch wenn mit der Messung der BAK und der AKK das gleiche Ziel verfolgt wird, nämlich die Alkoholisierung einer Person zu bestimmen, so handelt es sich bei beiden Werten um grundsätzlich unterschiedliche Messgrößen. Um diese Gegebenheit besser verstehen zu können, sollen nachfolgend die Besonderheiten des Alkoholstoffwechsels (Pharmakokinetik) grob skizziert werden:
Rz. 108
Konsumierter Alkohol (Ethanol) wird nach der Magenpassage im Wesentlichen im oberen Dünndarm resorbiert. Diese Resorption erfolgt in Form einer passiven Diffusion und beruht auf dem Konzentrationsgefälle des Alkohols zwischen dem Darminneren und der Blutbahn. Der Alkohol wird in den venösen Schenkel des Blutkreislaufes aufgenommen und nach einer ersten Passage der Leber in das rechte Herz weitergeleitet. Von dort aus wird das alkoholhaltige Blut in den Lungenkreislauf gepumpt. Nach der Lungenpassage wird das nun mit Sauerstoff aus der Atemluft angereicherte Blut (arterialisiertes Blut) zum linken Herzen weitergeleitet und von dort aus in den großen Kreislauf gepumpt. Unter anderem erreicht so der konsumierte Alkohol auch sein Zielorgan, nämlich das Gehirn, wo er die entsprechenden und bekannten Wirkungen entfalten kann. Grundsätzlich verbleibt aber der Alkohol während seines Transportes nicht nur innerhalb der Blutbahn, sondern er verteilt sich in allen wasserhaltigen Kompartimenten des Körpers annähernd gleichmäßig. Ginge man nun davon aus, dass der Alkohol nach seiner vollständigen Resorption nicht abgebaut wird, so würde sich nach einer relativ kurzen Zeit in allen wasserhalwtigen Kompartimenten des Körpers eine annähernd gleiche Konzentration an Alkohol befinden. Somit wäre auch davon auszugehen, dass das Verhältnis zwischen AAK und BAK konstant bleibt. Dass dem nicht so kein kann, wird schon daran ersichtlich, dass ein geringer Teil des Alkohols über die Atemluft verloren geht, sonst wäre er in der Atemluft nicht messbar.
Rz. 109
Wichtig ist aber auch der Unterschied, dass die AAK und die BAK an verschiedenen Stellen in dem zuvor stark vereinfacht dargestellten Kreislauf gemessen werden. Die BAK wird im venösen Blut gemessen, das in der Regel aus einer Armvene entnommen wird. Die AAK wird in der Atemluft gemessen, nachdem an der Oberfläche der Lungenbläschen der im durchströmenden Blut enthaltene Alkohol z.T. in die Atemluft abgedampft wurde. Es handelt sich also auch um unterschiedliche Aggregatzustände des Alkohols. So wird bei der BAK der Alkohol in der Flüssigphase in einer Flüssigkeit (Blut – genauer Serum) gemessen, beim Atemalkohol befindet sich der Alkohol im gasförmigen Zustand und wird in einem Gasgemisch (Atemluft) bestimmt. Dementsprechend sind auch unterschiedliche Maßeinheiten erforderlich. So wird die BAK in Gramm Alkohol pro Kilogramm Blut (g/kg respektive in ‰) angegeben, die AAK in Milligramm Alkohol pro Liter Atemluft (mg/L). Bezieht man sich auf die vom Gesetzgeber in der StVG vorgegebenen Grenzwerte (AAK 0,25 mg/L, BAK 0,50 ‰) so wird weiterhin ersichtlich, dass das so vorgegebene Verhältnis von AAK zu BAK nicht eins zu zwei beträgt, sondern unter Berücksichtigung der Maßeinheiten eins zu 2000.
Rz. 110
Dieses scheinbar konstante Verhältnis ist aber nicht konstant. Dazu muss man nochmals auf die zuvor skizzierten Kreislaufverhältnisse zurückblicken. Bisher wurde zur Vereinfachung nur die Phase nach Abschluss der Resorption des konsumierten Alkohols beleuchtet (postresorptive Phase). Hierfür wurde oben auch angenommen, dass der Alkohol nicht abgebaut oder ausgeschieden wird. Dass dem nicht so ist, ist...