Dr. med. Daniela Bellmann, Dr.-Ing. Steffen Brückner
(1) Bildaufzeichnung
Rz. 22
Moderne Verkehrs- und Raumüberwachungsanlagen verwenden statt der früher üblichen Analogaufzeichnung (Aufnahme auf Videoband) nahezu ausschließlich eine digitale Aufzeichnung. Dabei werden die Bildsignale der Kamera direkt digitalisiert und in digitaler Form abgespeichert. Als Speichermedium dienen meist handelsübliche Festplatten.
Die digitale Speicherung bietet ggü. der Analogtechnik manche Vorteile wie z.B. eine bessere Bildschärfe, geringeres Rauschen oder die Möglichkeit zur Kopie ohne Qualitätsverlust. In der Praxis führt sie allerdings auch zu zwei Problemkreisen, die eine Interpretation des Bildmaterials im Rahmen von Identitätsgutachten erschweren:
▪ |
Störungen des Bildinhaltes durch Datenkompression und |
▪ |
Verzerrung von Proportionen durch fehlerhafte Bildformate. |
(2) Datenkompression
Rz. 23
Die bei der digitalen Speicherung zu verarbeitende Datenmenge ist sehr groß. Pro Video-Farbbild fallen ca. 1.3 MB an Rohdaten an, was bei einer Echtzeit-Aufnahme mit 25 Bildern pro Sekunde eine Datenrate von ca. 32 MB/s bedeutet und bei längeren Aufnahmezeiten sehr schnell enormen Speicherplatz erfordert. Die Bilddaten werden daher üblicherweise in stark komprimierter Form abgespeichert. Bei der Kompression von Bilddaten ist zu unterscheiden zwischen verlustfreien und verlustbehafteten Verfahren.
Rz. 24
Bei verlustfreier Kompression bleiben die Originaldaten unverändert erhalten, allerdings ist die Reduktion der Datenmenge typisch auf eine Größenordnung von 50 % beschränkt. Stärkere Reduktion ist nur mit verlustbehafteten Verfahren möglich. Hersteller von Video-Überwachungsanlagen verwenden hierfür nahezu ausschließlich das JPEG-Verfahren. Exakte Beschreibungen des JPEG-Standards finden sich in der Literatur (z.B. bei Lipp), an dieser Stelle genügt eine anschauliche Beschreibung.
Beim JPEG-Verfahren wird zunächst das Bild für jede Farbe getrennt in Teilbereiche von 8×8 Bildpunkten zerlegt. Separat für jedes dieser Teilbilder erfolgt nun eine sog. "harmonische Analyse", die sich beim Versuch einer anschaulichen Beschreibung wohl am ehesten mithilfe einer Analogie zur Akustik verstehen lässt:
Eine allmähliche Änderung der Helligkeit von schwarz nach weiß über die acht Bildpunkte hinweg entspricht einem tiefen Ton, häufiger Wechsel von Hell und Dunkel einem hohen Ton. Es werden nun Koeffizienten für die relativen Anteile aller im 8×8-Bereich möglichen Frequenzen von Helligkeitsänderungen berechnet (in der Akustik-Analogie hieße dies: Wie intensiv sind hohe Töne im Vergleich zu tiefen Tönen im untersuchten Schall enthalten?). Gespeichert werden beim JPEG-Bildformat nun nicht die Bilddaten, sondern die berechneten Koeffizienten. Ein Programm zur Betrachtung von JPEG-Bildern liest beim Öffnen der Bilddatei diese gespeicherten Koeffizienten und berechnet hieraus das Originalbild (sog. "harmonische Synthese", die Umkehrung der "harmonischen Analyse").
Vor der Speicherung allerdings erfolgt der für die Komprimierung entscheidende Schritt: Vereinfacht gesagt, werden für jedes 8×8-Teilbild alle Koeffizienten, die relativ klein ggü. anderen Koeffizienten sind, kurzerhand auf null gesetzt. Damit entsteht ein Datensatz, der sehr viele Nullen enthält und sich mit üblichen Verfahren zur Dateikomprimierung auf sehr geringe Größe reduzieren lässt.
Programme zur Erzeugung von JPEG-Bildern bieten dem Benutzer üblicherweise eine Möglichkeit zur Einstellung der Bildqualität. Der hier eingestellte Wert bestimmt letztlich die Grenzen dafür, welche Koeffizienten vom Rechenverfahren als "relativ klein" angesehen und auf null gesetzt werden sollen.
Wie oben gesagt, wird beim Öffnen einer JPEG-Datei aus den gespeicherten Koeffizienten ein Bild berechnet. Es gibt aber zu diesem Zeitpunkt für das öffnende Programm keine Möglichkeit mehr festzustellen, welche Koeffizienten seinerzeit bei der Speicherung willkürlich auf null gesetzt worden waren. Diese Information ist unwiederbringlich verloren. Der Datenverlust an sich mag unschön sein, ist aber nicht das wesentliche Problem bei der gutachterlichen Auswertung des Bildes. Auch bei analoger Aufzeichnung wären ggü. dem von der Kamera erzeugten Bild große Informationsverluste in Form von Unschärfe aufgetreten (die Auflösung eines VHS-Rekorders ist nur etwa halb so groß wie die einer typischen Kamera).
Rz. 25
Problematisch ist beim JPEG-Verfahren vielmehr die völlig unabhängige Berechnung für die einzelnen 8×8-Teilbilder. Dadurch können Bilddetails komplett verloren gehen oder verfälscht werden.
Bild 1: Bildfehler durch JPEG-Komprimierung
Bild 1 zeigt in zwei Qualitätsstufen den Einfluss der JPEG-Kompression auf das links dargestellte Ausgangsbild. Das mittlere Bild wurde mit einer Qualitätsstufe von 30 %, das rechte Bild mit Qualitätsstufe 70 % komprimiert (Programm: Ulead PhotoImpact; Bilder zur Verdeutlichung für den Druck leicht geschärft).
Bei einer Qualitätsstufe von 30 % ist das für JPEG-Kompression typische "Kachelmuster" deutlich erkennbar. Die Ohrmuschel wird in letztlich nicht mehr auswertbarer Weise verzeic...