Dr. med. Daniela Bellmann, Dr.-Ing. Steffen Brückner
1. Hyper- und Hypoventilation
Rz. 122
Eine weitere Einflussgröße auf die AAK-Messung stellt die bereits kurz erwähnte Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit des an der Oberfläche der Lungenbläschen abgedampften Alkohols in der Atemluft dar. Diese physikalische Besonderheit nach dem Henry-Gesetz bewirkt u.a., dass sich die AAK bei einer Änderung der Atemtemperatur um 1°C um rund 6,5 % ändern kann. Eine Änderung der Atemtemperatur kann z.B. durch spezielle Atemmanöver erreicht werden. Hier spielen insbesondere die Hypoventilation (Anhalten der Atmung) und die Hyperventilation (schnelles und vertieftes Ein- und Ausatmen) eine Rolle. Durch Hypoventilation erhöht sich die Atemtemperatur und es kann im Bereich der Lungenbläschen mehr Alkohol in der Atemluft gelöst werden, d.h. es kommt zu einem vergleichsweise leichten Anstieg der AAK. Bei einer Hyperventilation hingegen wird die Atemluft abgekühlt und es kann sich entsprechend weniger Alkohol in der Atemluft lösen, was zu einem geringen Abfall der AAK führt. Dieses Prinzip erklärt auch, warum bei den "einfachen" Atemalkoholmessgeräten (sog. Vortestgeräte) eine Hyperventilation erfolgreich zu einer Erniedrigung der AAK führen kann. Parallel hierzu würde ein Atemanhalten zu einer Erhöhung der AAK führen. Bei der AAK-Messung mit dem Alcotest® 7110 Evidential sowie dem Alcotest® 9510 DE wurde dieser Einflussmöglichkeit dadurch begegnet, dass man die Messergebnisse auf eine "Standard-Atemtemperatur" von 34°C bezieht. Hierdurch ist der Einfluss der Atemtechnik erheblich reduziert, jedoch nicht vollständig aufgehoben worden.
Rz. 123
In der Praxis spielt die Hyperventilation eher eine untergeordnete Rolle. Zum einen ist der Einfluss dieses Atemmanövers bei der AAK-Messung mit den besagten Messgeräten sehr gering. Zum anderen dürfte ein solches Atemmanöver von dem beobachtenden Messbeamten leicht zu erkennen sein. Bei der Hypoventilation ist nicht nur die Einflussmöglichkeit auf die AAK-Messung höher als bei der Hyperventilation, sondern auch ein kurzzeitiges Atemanhalten könnte dem Messbeamten im Einzelfall durchaus verborgen bleiben. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge kann im Einzelfall bereits ein Atemanhalten von 10 Sekunden ausreichend sein, um einen Anstieg der AAK um bis zu 0,02 mg/L zu erreichen. Allerdings gilt es hierbei zu bedenken, dass ein derartiges Atemmanöver nicht nur vor der Abgabe einer der beiden erforderlichen Atemproben erfolgen müsste, sondern jeweils vor beiden. Ansonsten tritt das Problem auf, dass die Differenz der Atemtemperatur und auch die Differenz der AAK-Einzelmessergebnisse die erlaubten Toleranzbereiche überschreiten könnten. Aufgrund des nur geringen Einflusses der Hypoventilation auf die Messergebnisse wird auch deutlich, dass eine solche gutachterliche Prüfung nur bei einem AAK-Messergebnis unmittelbar im Bereich des Grenzwertes von 0,25 mg/L relevant werden kann.
2. Alkoholhaltige Mundsprays, Mundspüllösungen u.Ä.
Rz. 124
Immer wieder tritt in der Gutachterpraxis die Frage auf, ob nicht ein Lutschbonbon, ein Mundwasser, Zahnpflegeprodukte oder auch ein Asthmaspray Einfluss auf die AAK-Messung haben könnten. Aufgrund der sehr hohen Spezifität der Messgeräte Alcotest® 7110 Evidential und Alcotest® 9510 DE hinsichtlich der Zielsubstanz Ethanol (Alkohol) ist ein Einfluss durch Substanzen ohne Alkohol nahezu auszuschließen. Bleiben also nur noch die alkoholhaltigen Substanzen, die hier einen Einfluss nehmen könnten. Berücksichtigt man aber die Durchführungsbestimmungen für eine gerichtsverwertbare AAK-Messung, so wird dort eine sog. Kontrollzeit von 10 Minuten vorgeschrieben. In diesen 10 Minuten vor Abgabe der ersten Atemprobe (Probandenmessung 1) dürfen von dem Probanden keine Substanzen oral aufgenommen werden, er darf auch nicht rauchen und auch nichts essen. Nimmt man die Vorgaben sehr genau, so dürfte der Mund des Probanden nicht einmal mit Wasser ausgespült werden. Diese Kontrollzeit wird – ebenso wie die o.g. Wartezeit – von den Messbeamten meist in einem Begleitformular zur AAK-Messung nachvollziehbar dokumentiert. Durch die Kontrollzeit soll generell der Einfluss von sog. Störsubstanzen ausgeschlossen werden. Ferner soll hierdurch der Einfluss des sog. Mundrestalkohols auf die AAK-Messung vermieden werden. Bei der Anwendung alkoholhaltiger Mundsprays, Mundspüllösungen und auch bei alkoholhaltigen Bronchialsprays schlägt sich der Alkohol genauso wir beim Konsum alkoholhaltiger Getränke auch auf den Mund- und Rachenschleimhäuten nieder. Von dort verdampft er und kann in die vorbeiströmende Atemluft übertreten. Dies würde die AAK-Messung natürlich erheblich verfälschen. Bei Messungen mit "einfachen" Atemalkoholmessgeräten (sog. Vortestgeräte), die einen solchen Mundrestalkohol nicht erkennen können, kann man diesen erheblichen Einfluss auf die AAK-Messung auch nachweisen. Betrachtet ma...