Rz. 1
Eine Patientenverfügung soll dem Willen des Verfügenden im Hinblick auf eine medizinische Behandlung, Nichtbehandlung oder den Behandlungsabbruch für den Fall Ausdruck verleihen, dass der Verfügende seine Behandlungswünsche aufgrund seiner physischen und/oder psychischen Situation nicht mehr äußern kann. Sie ist ebenso wie die Vorsorgevollmacht Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts, nach der neuen Rechtslage, nach der einer Patientenverfügung Verbindlichkeitscharakter zukommen kann, mehr denn je.
Eine Patientenverfügung wird oft auch als Patientenbrief oder Patiententestament bezeichnet. Letztere Bezeichnung sollte im Hinblick darauf, dass ein Testament eine Verfügung von Todes wegen ist und somit seine Rechtswirkung gegenüber Dritten erst nach dem Tod des Verfügenden entfaltet, nicht verwendet werden. Denn geregelt ist der Behandlungswunsch eines Lebenden.
Die Patientenverfügung muss von einem Betreuer oder einem in Gesundheitsangelegenheiten Bevollmächtigten berücksichtigt werden. Die Kombination mit einer Betreuungsverfügung oder einer Vorsorgevollmacht ist daher sinnvoll.
Rz. 2
Der Deutsche Bundestag hatte mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts am 18.6.2009 auch eine Regelung über die Patientenverfügung verabschiedet. Das seit dem 1.9.2009 geltende Gesetz enthielt in § 1901a BGB erstmals eine gesetzliche Kodifizierung der Patientenverfügung. Wichtige Punkte dieser Neuregelungen wurden mit Beschluss vom 17.9.2014 durch den BGH in erfreulicher Klarheit bestätigt. Die ebenfalls lesenswerte Entscheidung des BGH vom 6.7.2016 beschäftigt sich nicht nur mit der inhaltlichen Ausgestaltung einer Vorsorgevollmacht und der Frage, wann bei potenziellen Fehlentscheidungen ein Kontrollbetreuer bestellt werden darf, sondern auch mit den Anforderungen an eine Patientenverfügung, soll diese i.S.v. § 1901a Abs. 1 BGB (heute: § 1827 BGB) verbindliche Wirkung entfalten.
Rz. 3
Mit Datum vom 8.2.2017 erging eine weitere Entscheidung des BGH, die u.a. die auf der mittlerweile allgemein bekannten Erkenntnis, dass ein geäußerter Verzicht auf "lebensverlängernde Maßnahmen" alleine keine konkrete Behandlungsentscheidung eines Menschen i.S.v. § 1901 BGB darstellt, aufbaut. Das Gericht führt aus, dass sich im Einzelfall durch Bezugnahme auf Krankheits- und/oder Behandlungssituationen einerseits und ärztliche Maßnahmen andererseits der Wille des Patienten durch Auslegung ermitteln lässt.
Rz. 4
Mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts haben zum 1.1.2023 auch die Regelungen, die die Patientenverfügung betreffen, neue "Hausnummern" bekommen. Inhaltlich gibt es keine gravierenden Änderungen.
Rz. 5
Im Folgenden werden zunächst die Anforderungen an eine Patientenverfügung sowie die Wirkungen einer Patientenverfügung dargestellt (siehe Rdn 8 f., 11 ff.). Welche Anweisungen und Wünsche des Patienten in einer Patientenverfügung zulässig sind, wird im Anschluss behandelt (siehe Rdn 28 ff.).
Rz. 6
Ungeachtet der rechtlichen Veränderungen hat sich an den Beweggründen, eine Patientenverfügung zu errichten, nichts geändert. Hintergrund für den Wunsch eines Menschen, eine Patientenverfügung zu erstellen, dürfte weniger die Extremsituation "lebensbeendende Maßnahme" sein. Vielmehr geht es oftmals um das Unbehagen vor einer nicht mehr überschaubaren Apparatemedizin und um die Angst davor, allein in der Anonymität eines Krankenhauses sterben zu müssen. Hier kann die Palliativmedizin helfen, also eine psychosoziale Betreuung des Patienten in Kombination mit einer Schmerztherapie. Denn kann sich der Patient dahingehend versichern, in einem menschenwürdigen Umfeld behandelt und betreut zu werden, wird sich sein Patientenwunsch auch darauf beziehen und nicht auf die Frage einer zulässigen Sterbehilfe fokussieren.