I. Grundsätze
Rz. 28
Grundsätzlich ist der Verfügende hinsichtlich des Inhalts seiner Patientenverfügung frei. Dringend angeraten ist es, bei einer wesentlichen Änderung der gesundheitlichen Situation die Fortgeltung der Verfügung ausdrücklich zu vermerken bzw. die Verfügung inhaltlich anzupassen. Inhaltlich zu unterscheiden sind letztlich zwei Konstellationen:
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die Patientenverfügung mit dem Wunsch des Verfügenden im Hinblick auf das Unterlassen bestimmter Behandlungen wie z.B. einer Bluttransfusion oder Organverpflanzung, bis hin zum Behandlungsabbruch einerseits und |
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die Patientenverfügung mit Wunsch auf Fortführung einer Behandlung und medizinischer Maximalbehandlung andererseits. |
Rz. 29
Um möglichst eine direkte Bindungswirkung der Patientenverfügung zu erzielen, muss diese sich auf eine konkrete Behandlungssituation beziehen. Ist diese vorhersehbar, dann muss die Patientenverfügung auch ganz gezielt auf die voraussichtliche Behandlungssituation abgestimmt sein. Dies ist nur nach Rücksprache und Aufklärung durch den behandelnden Arzt möglich.
Rz. 30
Im Jahr 2013 hat die Bundesärztekammer ein "Arbeitspapier zum Verhältnis von Patientenverfügung und Organspendeerklärung" herausgegeben. Dieses Arbeitspapier beschreibt verschiedene Fallkonstellationen und enthält auch Textbausteine zur Ergänzung/Vervollständigung einer Patientenverfügung.
Es spricht einiges dafür, dass diese Textbausteine den beteiligten Medizinern bekannt sind.
II. Patientenverfügung und Behandlungsabbruch
Rz. 31
Verpflichtender Inhalt einer Patientenverfügung kann nur rechtlich erlaubtes Handeln sein, das – weitgehend – schützenswerten Belangen des Adressaten nicht zuwiderläuft. Letztlich wird kein Adressat sich der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen wollen.
Daher stellt sich zunächst unter strafrechtlichen Gesichtspunkten die Frage, wieweit ein Sterbewunsch in einer Patientenverfügung Berücksichtigung finden kann, ohne dass sich der Handelnde in die Gefahr der Begehung einer strafbaren Handlung begibt.
1. Verlangen nach aktiver Sterbehilfe
Rz. 32
Aktive Sterbehilfe, also die Verkürzung des verlöschenden Lebens durch eine aktive Einflussnahme auf den Krankheits- und Sterbeprozess, ist auch durch eine dahin lautende Patientenverfügung nicht gerechtfertigt. Auch das Verlangen nach aktiver Tötung als Mittel zur Schmerzbeseitigung ist unabhängig vom Vorliegen einer dahingehend lautenden Patientenverfügung strafbar nach § 216 StGB. Ein diesbezüglich geäußerter Wunsch wird vom Adressaten der Patientenverfügung daher schwerlich befolgt werden können.
2. Hilfe im Sterben durch Schmerztherapie ohne lebensverkürzendes Risiko
Rz. 33
Eine Schmerztherapie ohne lebensverkürzendes Risiko ist selbst dann zulässig, wenn dies zu einer Bewusstseinstrübung führt. Ein dahingehender Wunsch in der Patientenverfügung kann daher unter strafrechtlichen Gesichtspunkten nicht zurückgewiesen werden. Im Übrigen ist eine palliativmedizinische Behandlung gerade auch ärztliche Pflicht bei der Behandlung sterbender Patienten.
3. Indirekte Sterbehilfe – Schmerztherapie mit ggf. lebensverkürzender Auswirkung
Rz. 34
Auch eine Schmerztherapie, die mit einer lebensverkürzenden Auswirkung als unbeabsichtigte Nebenfolge einhergeht, wird für straflos erachtet und kann unproblematisch in einer Patientenverfügung angeordnet werden. Ein behandelnder Arzt darf in Übereinstimmung mit einem entsprechenden Patientenwillen schmerzstillende Medikamente selbst dann verabreichen, wenn diese als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen. Diese so genannte indirekte Sterbehilfe soll einen Tod in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ermöglichen. Dieses Rechtsgut ist als höherwertiger einzustufen als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere so genannten Vernichtungsschmerzen, noch kurze Zeit länger leben zu müssen.
4. Passive Sterbehilfe durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen
Rz. 35
Stellt der Arzt in Übereinstimmung mit dem Patientenwillen eine lebensverlängernde Maßnahme ein, ist dies eine zulässige passive Sterbehilfe, bei der es darum geht, einen natürlichen Krankheitsverlauf seinen Fortgang nehmen zu lassen. Es liegt ein Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen vor und nicht eine aktive Lebensverkürzung in dem Sinne, den Tod schneller herbeizuführen als bei einem natürlichen Verlauf.