Rz. 31
Verpflichtender Inhalt einer Patientenverfügung kann nur rechtlich erlaubtes Handeln sein, das – weitgehend – schützenswerten Belangen des Adressaten nicht zuwiderläuft. Letztlich wird kein Adressat sich der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen wollen.
Daher stellt sich zunächst unter strafrechtlichen Gesichtspunkten die Frage, wieweit ein Sterbewunsch in einer Patientenverfügung Berücksichtigung finden kann, ohne dass sich der Handelnde in die Gefahr der Begehung einer strafbaren Handlung begibt.
1. Verlangen nach aktiver Sterbehilfe
Rz. 32
Aktive Sterbehilfe, also die Verkürzung des verlöschenden Lebens durch eine aktive Einflussnahme auf den Krankheits- und Sterbeprozess, ist auch durch eine dahin lautende Patientenverfügung nicht gerechtfertigt. Auch das Verlangen nach aktiver Tötung als Mittel zur Schmerzbeseitigung ist unabhängig vom Vorliegen einer dahingehend lautenden Patientenverfügung strafbar nach § 216 StGB. Ein diesbezüglich geäußerter Wunsch wird vom Adressaten der Patientenverfügung daher schwerlich befolgt werden können.
2. Hilfe im Sterben durch Schmerztherapie ohne lebensverkürzendes Risiko
Rz. 33
Eine Schmerztherapie ohne lebensverkürzendes Risiko ist selbst dann zulässig, wenn dies zu einer Bewusstseinstrübung führt. Ein dahingehender Wunsch in der Patientenverfügung kann daher unter strafrechtlichen Gesichtspunkten nicht zurückgewiesen werden. Im Übrigen ist eine palliativmedizinische Behandlung gerade auch ärztliche Pflicht bei der Behandlung sterbender Patienten.
3. Indirekte Sterbehilfe – Schmerztherapie mit ggf. lebensverkürzender Auswirkung
Rz. 34
Auch eine Schmerztherapie, die mit einer lebensverkürzenden Auswirkung als unbeabsichtigte Nebenfolge einhergeht, wird für straflos erachtet und kann unproblematisch in einer Patientenverfügung angeordnet werden. Ein behandelnder Arzt darf in Übereinstimmung mit einem entsprechenden Patientenwillen schmerzstillende Medikamente selbst dann verabreichen, wenn diese als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen. Diese so genannte indirekte Sterbehilfe soll einen Tod in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ermöglichen. Dieses Rechtsgut ist als höherwertiger einzustufen als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere so genannten Vernichtungsschmerzen, noch kurze Zeit länger leben zu müssen.
4. Passive Sterbehilfe durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen
Rz. 35
Stellt der Arzt in Übereinstimmung mit dem Patientenwillen eine lebensverlängernde Maßnahme ein, ist dies eine zulässige passive Sterbehilfe, bei der es darum geht, einen natürlichen Krankheitsverlauf seinen Fortgang nehmen zu lassen. Es liegt ein Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen vor und nicht eine aktive Lebensverkürzung in dem Sinne, den Tod schneller herbeizuführen als bei einem natürlichen Verlauf.
5. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.2.2020
Rz. 36
Gemäß Urteil des BVerfG vom 26.2.2020 ist die Regelung des bis dato bestehenden § 217 StGB, der die "Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellte, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
In seiner Urteilsbegründung arbeitet das BVerfG u.a. heraus:
Zitat
"Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst deshalb nicht nur das Recht, nach freiem Willen lebenserhaltende Maßnahmen abzulehnen und auf diese Weise einem zum Tode führenden Krankheitsgeschehen seinen Lauf zu lassen. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben erstreckt sich auch auf die Entscheidung des Einzelnen, sein Leben eigenhändig zu beenden. Das Recht, sich selbst das Leben zu nehmen, stellt sicher, dass der Einzelne über sich entsprechend dem eigenen Selbstbild autonom bestimmen und damit seine Persönlichkeit wahren kann. (…) Das den innersten Bereich individueller Selbstbestimmung berührende Verfügungsrecht über das eigene Leben ist insbesondere nicht auf schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt."
Das Gericht stellt in seiner Urteilsbegründung klar, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht umfasst, für das selbstbestimmte Sterben Hilfe bei Dritten zu suchen. Eine Verpflichtung für den behandelnden Arzt, Suizidhilfe zu leisten, besteht jedoch nicht.
Unmittelbare Folgen für eine Patientenverfügung lassen sich dem Urt...