Rz. 283
Betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (Fahrlässigkeit des Deliktanspruchs reicht nicht aus, bedingter Vorsatz dagegen genügt), kann er beantragen, den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu erhöhen. Dem Schuldner ist nur so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt für sich und seine Familie bedarf (§ 850f Abs. 2 ZPO), er darf jedoch nicht sozialhilfebedürftig werden.
Rz. 284
Vereinbaren die Parteien in einem Kündigungsschutzprozess eine Abfindung, handelt es sich dabei nicht um eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, die unter das Vollstreckungsprivileg fällt. Der rechtliche Charakter des Abfindungsanspruchs ändert sich auch dann nicht, wenn der Schuldner bei Abschluss des Vergleichs über seine Zahlungsfähigkeit bzw. Zahlungswilligkeit getäuscht hat. Zwar kann sich aus einem Eingehungsbetrug ein Schadensersatzanspruch ergeben; dieser beruht jedoch auf einem anderen Rechtsgrund als der Erfüllungsanspruch auf Zahlung der Abfindung.
Rz. 285
Die Vorschrift des § 850f Abs. 2 ZPO findet auch im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung. Die Vollstreckungsbehörde, z.B. das Finanzamt, ist für die Entscheidung i.R.d. § 319 AO i.V.m. § 850f Abs. 2 ZPO zuständig.
Rz. 286
Für die Festlegung des unpfändbaren Betrags kann auf die Ausführungen zur Pfändung eines Unterhaltsgläubigers verwiesen werden, vgl. zuvor Rdn 175 ff. Dem Schuldner sind für seinen notwendigen Unterhalt jedenfalls die Regelsätze nach § 28 SGB XII zu belassen. Eine Pfändung kleiner Teilbeträge hieraus kommt nicht in Betracht. Allerdings wird in der Rechtsprechung vertreten, dass die Sätze der Sozialhilfe einen Betrag für kleinere Anschaffungen enthielten und dieser Betrag ohne Gefährdung des notwendigen Unterhaltes gepfändet werden könne. In den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sei auch ein pfändbarer Anteil enthalten, der für Ansparungen für notwendige Anschaffungen vorgesehen sei. Diese Ansicht ist nach dem BGH nicht haltbar. Nach Ansicht des LG Frankfurt a.M. richtet sich bei der Pfändung nach § 850f Abs. 2 ZPO der pfändbare Teil nach den Vorschriften SGB II mit der Folge, dass dem Schuldner der Regelbetrag zuzüglich 33 % als Leistungsanreiz für Erwerbstätige und die Kosten für eine angemessene Unterkunft (Miete + Heizung ohne Strom und Wasser) verbleiben müssen.
Rz. 287
Ein an den Schuldner gezahltes Kindergeld ist als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen.
Rz. 288
Für die Prozesskosten und die Kosten der Zwangsvollstreckung kann das Pfändungsprivileg ebenfalls in Anspruch genommen werden. Auch die Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs auf Zahlung von Verzugszinsen unterfallen dem Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO, wenn diese Ansprüche Folgen der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sind.
Rz. 289
Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Schuldner grds. nicht zu hören (§ 834 ZPO), zumindest dann, wenn der Antrag gleichzeitig mit der Pfändung selbst gestellt wird. Nach anderer Auffassung muss der Schuldner vor der Entscheidung gehört werden, da das Vollstreckungsgericht hierbei ein Ermessen ausübt, und dies ohne Anhörung beider Parteien nicht sachgerecht erfolgen kann.