Rz. 271
Die Zahl der Unterhaltsberechtigten führt immer dann zu einer Änderung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens, wenn der Schuldner mehr als fünf Personen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, da die amtliche Lohnpfändungstabelle max. nur fünf Unterhaltsverpflichtete berücksichtigt. Grds. stellen freiwillig übernommene Unterhaltspflichten keinen Abänderungsgrund dar, es muss sich um gesetzliche Unterhaltspflichten handeln. Anders ist dies, wenn eine Schutzwürdigkeit gegenüber Personen besteht, denen der Schuldner aus anderen Gründen Unterhalt zu gewähren hat. Unterhalt zu gewähren hat auch der zivilrechtlich verpflichtete Schuldner bzw. derjenige, der sich gegenüber dem Ausländeramt im Interesse der Familienzusammenführung verpflichten musste, den minderjährigen Kindern seiner Ehefrau Unterhalt zu gewähren. Da diese, wie auf den Visa vermerkt, ihre Aufenthaltserlaubnis bei Beantragung von Sozialhilfeleistungen verlieren, muss der Schuldner den minderjährigen Kindern seiner Ehefrau Unterhalt gewähren. Der Pfändungsfreibetrag ist nicht deshalb zu erhöhen, weil der Schuldner mit einer nicht unterhaltsberechtigten Person in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt und diese wegen Zurechnung seines Einkommens nicht hilfebedürftig ist. Für die (nicht eingetragene) Lebensgefährtin kann nur dann ein Bedarfsbetrag in Ansatz gebracht werden, wenn der Lebensgefährtin wegen des Einkommens des mit ihr zusammenlebenden Schuldners Sozialhilfe versagt würde. Faktische Unterhaltspflichten gegenüber nicht leiblichen Kindern (hier: Stiefkinder) in Bedarfsgemeinschaft sind im Rahmen des § 850f ZPO nicht zu berücksichtigen.
Eine entsprechende Anwendung von § 850f ZPO ist jedoch geboten, um den notwendigen Lebensunterhalt des Schuldners selbst und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person sicher zu stellen. Nur mit einer solchen entsprechenden Anwendung kann dem offensichtlichen gesetzgeberischen Zweck Rechnung getragen und eine systemwidrige Ungleichbehandlung vermieden werden.
Rz. 272
Beispiele für besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen Gründen
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Zusätzliche Ausgaben wegen einer körperlichen Behinderung, |
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Mehrbedarf für ärztlich verordnete Diätverpflegung, |
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hohe Miete. Allerdings ist bei der Berechnung der Freibetrag für die Wohnungsmiete an dem Wohngeldrecht zu orientieren. |
Rz. 273
Aufwendungen des Schuldners für Wohnung und Heizung sind nur insoweit anzuerkennen, als sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Der Schuldner ist ggf. verpflichtet, eine billigere Wohnung zu nehmen, wenn nur dann eine Rückführung seiner Schulden gesichert ist. Bei der Ermittlung ist vorrangig das ortsübliche Mietpreisniveau, wie es sich aus einem – qualifizierten – Mietspiegel oder unmittelbar aus einer Mietdatenbank ableiten lässt, heranzuziehen. Es können ansonsten die Höchstbeträge nach § 12 WoGG als Anhaltspunkte herangezogen werden. Ist die Schuldnerin ohne festen Wohnsitz, sind Kosten für die Unterkunft bei der Festsetzung des unpfändbaren Betrages nicht zu berücksichtigen.
Rz. 274
Die Entstehung einer Steuerschuld, welche der Schuldner begleichen möchte, ist in der Regel kein ausreichender Grund für die Erhöhung des unpfändbaren Betrags.
Rz. 275
Wurde dem Schuldner wegen krankheits- und pflegebedingter Mehraufwendungen ein höherer unpfändbarer Betrag zugesprochen und erhält er später Pflegegeld, ist auf Antrag des Gläubigers die festgesetzte Pfändungsfreigrenze zu überprüfen. Pflegegeld ist dazu bestimmt, den durch die Pflegebedürftigkeit entstehenden Mehrbedarf zu decken. Ein Mehrbedarf kann sich auch aufgrund einer Schwangerschaft ergeben. Medikamentenzuzahlungen, die das Übliche übersteigen würden, sind gesondert nachzuweisen.
Rz. 276
Kosten für medizinische Behandlungsmethoden, die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen werden, rechtfertigen in der Regel auch keine Erhöhung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens. Der Maßstab für die Beurteilung besonderer Bedürfnisse im Sinne des § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO ist nach Ansicht des BGH zwar die individuelle Situation beim konkreten Schuldner. Bei der Frage, ob ihm zulasten der Gläubiger ein pfändbarer Teil seines Einkommens zu belassen ist, kann jedoch bei der Abwägung der Belange des Schuldners und der Gläubiger in der Regel kein Maßstab angelegt werden, der den Schuldner besser stellt als die gesetzlich Krankenversicherten oder diejenigen Personen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Dass er insoweit nicht schlechter gestellt wird als ein Empfänger von Sozialhilfe, wird bereits durch § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO gewährleistet. Den Gläubigern können keine weitergehenden Einschränkungen ihrer Rechte zugemutet werden, wenn der Gesetzgeber sie auch der Versichertengemeinschaft bzw. dem Träger der Sozialhilfe nicht auferlegt. Das Interesse des Schuldners an der Verbesserung seines gesundheitlichen Zustandes kann in diesem Rah...