1. Gesetzliche Regelung
Rz. 94
Das Arbeitseinkommen dient dem Schuldner und seiner Familie in erster Linie zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Ein entsprechender Mindestbetrag ist ihm daher immer zu belassen. Die Höhe des pfändungsfreien Betrags ist nicht schematisch festzusetzen, sondern hat sich an den tatsächlichen Lebenshaltungskosten des Schuldners zu orientieren. Bei einem in der Schweiz lebenden Schuldner kann angesichts der vergleichsweise höheren Lebenshaltungskosten ein entsprechend höherer Betrag festgesetzt werden (hier: 3.529,52 CHF).
Der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen kann nicht durch eine Vereinbarung umgangen werden, in der dem Arbeitgeber die Befugnis eingeräumt wird, eine monatliche Beteiligung des Arbeitnehmers an der Reinigung und Pflege der Berufskleidung mit dem monatlichen Nettoentgelt ohne Rücksicht auf Pfändungsfreigrenzen zu "verrechnen".
Rz. 95
Mangels gesetzlicher Grundlagen kann ein Gläubiger nicht die Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen für einen im Ausland lebenden Schuldner mit der Begründung verlangen, dort beliefen sich die Lebenshaltungskosten allenfalls auf 2/3 der deutschen Lebenshaltungskosten. Auch wenn die Argumentation durchaus nachvollziehbar ist, ist der Entscheidung des LG Heilbronn aus Rechtsgründen zuzustimmen. Umgekehrt kann ein in der Schweiz lebender und arbeitender Schuldner sich nicht auf die dort erhöhten Lebenshaltungskosten berufen, da diesen entsprechend höhere Einkünfte gegenüberstehen.
Rz. 96
Die pfändungsfreien Beträge ergeben sich, je nach dem Zeitraum, für den sie gezahlt werden, aus § 850c ZPO, ablesbar direkt aus der Anlage 2 zu § 850c ZPO. Die Angabe der Freibeträge im Pfändungsbeschluss ist nicht erforderlich, es genügt insoweit die Bezugnahme auf die Tabelle (Blankett-Beschluss; § 850c Abs. 5 S. 2, 3 ZPO).
Rz. 97
Die genaue Ermittlung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens hat der Drittschuldner grds. selbst vorzunehmen. Dabei ist zunächst der Nettolohn des Arbeitnehmers zu ermitteln (§ 850e Abs. 1 ZPO).
Rz. 98
Die nachträgliche Geltendmachung von rückständigen Gehaltsansprüchen führt nicht zum Verlust des Pfändungsschutzes. Nach dem Wortlaut des § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO sind bei der Prüfung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens die Nachzahlung rückständiger Beträge den jeweiligen Lohnzahlungszeiträumen hinzuzuschlagen und entsprechend neu zu berechnen.
Rz. 99
Von dem Brutto-Arbeitseinkommen sind zunächst die nach § 850a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge abzuziehen (zuvor Rdn 42 ff.). Danach sind die Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind, fiktiv aus diesem Betrag (abzüglich der der Pfändung entzogenen Beträge) zu ermitteln und in Abzug zu bringen. Diesen Beträgen stehen gleich die auf den Auszahlungszeitraum entfallenden Beträge, die der Schuldner
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nach den Vorschriften des Sozialversicherungsgesetzes zur Weiterversicherung entrichtet oder |
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an eine Ersatzkasse oder an ein Unternehmen der privaten Krankenversicherung leistet, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. |
Rz. 100
Der Arbeitgeber hat also in erster Linie die Lohnsteuer für die Lohnzahlungsperiode abzuziehen. Ebenfalls abzuziehen sind die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag. Weiterhin in Abzug zu bringen sind die vom Arbeitnehmer zu zahlenden anteilsmäßigen Beträge zu Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung. Diesen Beträgen stehen ausdrücklich gleich die Beträge, die der Schuldner nach dem Sozialversicherungsgesetz zur Weiterversicherung entrichtet oder die er an eine Ersatzkasse oder an eine private Krankenversicherung leistet. Zur Höhe dieser Beträge ist ein Vergleich mit den Beitragssätzen der gesetzlichen Krankenversicherung vorzunehmen. Abzuziehen sind auch Pflichtumlagebeiträge des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber aufgrund tariflicher Bestimmungen vom Nettoeinkommen des Arbeitnehmers einzubehalten und an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder abzuführen hat. Zwar handelt es sich insoweit nicht um eine gesetzlich, sondern um eine tarifvertraglich statuierte Verpflichtung des Arbeitnehmers. Dieser kann sich jedoch, wie bei einer gesetzlichen Beitragsverpflichtung aufgrund einer sozialrechtlichen Vorschrift, der Abführung der Beiträge nicht entziehen. Bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens sind unter anderem Beträge, die der Schuldner an ein Unternehmen der privaten Krankenversicherung leistet, nicht mitzurechnen, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Da mit dem Basistarif in der privaten Krankenversicherung ein Tarif zur Verfügung steht, dessen Leistungsumfang aufgrund gesetzlicher Vorgabe dem Schutzniveau der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nachsteht, sind Versicherungsbeiträge oberhalb der für den Basistarif anfallenden Beiträge nicht mehr als "üblich" anzusehen. Oberhalb des Höchstbeitrags zur geset...