1. Allgemein
Rz. 158
Ein Unterhaltsgläubiger ist nicht verpflichtet, das Arbeitseinkommen in den Vorrechtsbereich nach § 850d ZPO zu pfänden. Bei der Nutzung des Formulars "Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen" erfolgt nicht automatisch eine Pfändung gem. § 850d ZPO, da das Formular weder einen festen Antrag noch einen durch Ankreuzen wählbaren Antrag nach § 850d ZPO enthält.
Rz. 159
Bei Unterhaltspfändungen nach § 850d ZPO ist dem Gläubiger im PKH-Verfahren grds. ein Anwalt beizuordnen. Dies gilt nicht für Sachpfändung und das Verfahren auf Abnahme der Vermögensauskunft, auch wenn es sich um eine Unterhaltsvollstreckung handelt. Die Pauschalbewilligung betrifft nur den Bewilligungsrahmen (§ 119 ZPO), nicht jedoch die Anwaltsbeiordnung (§ 121 ZPO), so dass für die einzelnen Vollstreckungshandlungen (Sachpfändung, Abnahme der Vermögensauskunft, Gehaltspfändungen) die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts getrennt zu prüfen sind. Insofern kann eine Beiordnung für eine Gehaltspfändung nach § 850d ZPO erfolgen, für eine Sachpfändung jedoch abgelehnt werden, obwohl der Bewilligungsrahmen nach § 119 Abs. 2 ZPO beides umfasst.
2. Bevorrechtigte Ansprüche
Rz. 160
Bei der Arbeitseinkommenspfändung werden solche Gläubiger bevorrechtigt, die wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs pfänden; das sind der Ehegatte/Lebenspartner, der getrenntlebende Ehegatte/Lebenspartner, der frühere Ehegatte/Lebenspartner, Verwandte in gerader Linie, ein Elternteil nach §§ 1615l, 1615n, BGB.
Rz. 161
Bei der Pfändung wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche der zuvor genannten Personen berechnen sich die Pfändungsfreigrenzen nicht nach der amtlichen Tabelle zu § 850c ZPO. Der unterhaltsverpflichtete Schuldner muss sich zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten weit mehr einschränken, als dies zur Befriedigung der Ansprüche eines "normalen" Gläubigers erforderlich ist. Die Unterhaltsberechtigten sollen nicht mit ihren Ansprüchen der Allgemeinheit zur Last fallen. Der unpfändbare Betrag ist somit durch das Vollstreckungsgericht ziffernmäßig festzusetzen, eine Bezugnahme auf die amtliche Lohnpfändungstabelle ist nicht zulässig.
Rz. 162
Auch bei der Zugriffsmöglichkeit auf die grds. unpfändbaren Bezüge nach § 850a ZPO erfolgt eine Verschärfung, indem nur noch unpfändbar sind:
▪ |
1/4 der für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Lohnanteile, |
▪ |
1/2 der Urlaubsvergütung etc., |
▪ |
1/4 des Weihnachtsgelds, dessen Höhe sich nach Aufrundung des monatlichen Freibetrags nach § 850c Abs. 1 i.V.m. mit Abs. 4 ZPO auf den nächsten vollen 10-Euro-Betrag ergibt. |
Rz. 163
Das Vollstreckungsprivileg der bevorrechtigten Pfändung gilt für:
▪ |
laufende Unterhaltsansprüche, |
▪ |
Rückstände, die nicht länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind. |
Rz. 164
Um den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO zu erbringen, muss der Gläubiger einen Titel vorlegen, aus dem sich – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt. Die Bevorrechtigung des Gläubigers gemäß § 850d Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 1609 BGB gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten muss sich hingegen nicht aus dem Titel ergeben.
Eine Privilegierung nach § 850d ZPO wird durch einen Vollstreckungsbescheid daher nicht begründet. Diese Auffassung gilt allerdings nicht uneingeschränkt, wie das LG Dresden und das LG Hannover feststellen. Nach Ansicht des LG Dresden genügt die Vorlage des Bewilligungsbescheides entgegen dem Wortlaut von § 7 Abs. 5 UVG nicht, um die Privilegierung nach § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO festzustellen. Vielmehr ist auch die Geburtsurkunde des Unterhaltsberechtigten oder ein anderes aussagekräftiges Dokument vorzulegen, um nachzuweisen, dass es sich bei dem Schuldner um den Unterhaltspflichtigen handelt. Soweit der BGH annimmt, der Nachweis der Vollstreckungsprivilegierungen eines Unterhaltsanspruches sei nicht durch die Vorlage des Vollstreckungsbescheides möglich, ist diese Rechtsprechung überholt durch die Gesetzesänderung in § 7 Abs. 5 UhVorschG. Nach dem nunmehr geltenden Recht genügt als Nachweis für die Vollstreckungsprivilegierung die Vorlage des Bewilligungsbescheides. Mit dieser Gesetzesänderung hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er – abweichend von der grundsätzlichen Verteilung der Aufgaben zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren – dem Gläubiger im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit geben will, die Vollstreckungsprivilegierungen eines Unterhaltsanspruches nach § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO zu behaupten und nachzuweisen. Insofern nähert der Gesetzgeber die Zwangsvollstreckung dieser übergegangenen Ansprüche de...