Rz. 228
Der Tatsachenvortrag des Klägers muss schlüssig, die Verteidigung des Beklagten rechtserheblich sein. Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die i.V.m. einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Wird eine Klage auf mehrere voneinander unabhängige Begründungen gestützt, müssen diese mit der gebotenen Klarheit benannt und ausgeführt werden. Auch diejenigen Vorschriften, welche die Geltendmachung eines Schadens erleichtern (§ 252 BGB, § 287 ZPO), entbinden den beauftragten Rechtsanwalt nicht von der Pflicht, die für die Begründung eines eingeklagten Anspruchs relevanten Tatsachen schlüssig darzulegen. Werden spezielle Fachausdrücke verwendet, die nicht zumindest den damit befassten Gerichten und Parteien geläufig sind, sind diese entsprechend zu erläutern, etwa der Begriff der "All-Risk-Versicherung" dahin, dass eine solche Versicherung verschuldensunabhängig sämtliche bei einer Beförderung erlittenen Beschädigungen ausgeglichen hätte. Das gilt auch für sonstige in manchen Fachkreisen üblicherweise verwendeten englischen Fachbezeichnungen, die bei den damit sonst nicht befassten Gerichten unbekannt sind. Ist ein schlüssiger oder erheblicher Vortrag der Partei nicht möglich, hat der Rechtsanwalt den Mandanten über die Risiken aufzuklären und von einer Klageerhebung bzw. einer Verteidigung gegen eine Klage zur Vermeidung überflüssiger Kosten abzuraten (zur Pflicht, den Mandanten über das Prozessrisiko aufzuklären, siehe Rdn 179–191). Der Rechtsanwalt ist ferner verpflichtet, den Sachvortrag hinreichend zu substanziieren, um zu verhindern, dass die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO eingreift bzw. ein Vortrag als unbeachtlich zurückgewiesen wird. Um der in diesem Fall bestehenden Gefahr des Prozessverlustes aufgrund fehlender notwendiger Substanziierung des Sachvortrags zu entgehen, sollte ihr der Anwalt i.d.R. mit einer Bitte um einen gerichtlichen Hinweis begegnen, ob also z.B. das Gericht den Sachvortrag für genügend erachte, um auf der Grundlage des Vorbringens ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen, oder ob es eine weitere vorherige Substanziierung für geboten halte. Solche Hinweise hätte das Gericht gem. § 139 Abs. 1 ZPO zu erteilen. Ist in einem solchen Fall mangels eigener Sachkenntnis die Einholung eines privaten Gutachtens zur Rechtsverfolgung notwendig, muss die hierfür notwendige Zeit dem Kläger nach Darlegung der Erforderlichkeit vom Prozessgericht gewährt werden. Ein sodann auf diese Weise ergänzter Vortrag darf vom Gericht weder als unsubstanziiert noch als verspätet behandelt werden.
Der Anwalt des Beklagten muss alle den Klageanspruch hindernden oder vernichtenden Einwendungen und Einreden geltend machen. Dazu kann etwa auch der Umstand gehören, dass der Beklagte die von einem Zessionar im Prozess geltend gemachte Forderung vor der Zession selbst gepfändet und sich zur Einziehung hat überweisen lassen, sodass wegen des Prioritätsprinzips dem Kläger schon die Aktivlegitimation fehlt. Nach allgemeiner Meinung kann ein Vollstreckungsgläubiger grds. auch eine gegen sich selbst gerichtete Forderung pfänden. Es kann auch geboten sein, eine solche Selbstpfändung noch im Laufe des Prozesses zu veranlassen.