Rz. 261
Grds. ist der Rechtsanwalt allerdings nicht verpflichtet, bei seinem Mandanten nachzufragen, ob er ein Rechtsmittel einlegen will. Eine solche Pflicht besteht nur dann ausnahmsweise, wenn der Rechtsanwalt einen besonderen Anlass hat, den Verlust seiner Mitteilung zu befürchten oder wenn ihm der Standpunkt der Partei, unter allen Umständen ein Rechtsmittel einzulegen, bereits bekannt ist. Jedenfalls muss ein Rechtsanwalt darauf hinwirken, dass bis zur Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Er ist gehalten, einer möglichen Zwangsvollstreckung gegen den Mandanten entgegenzutreten, und diesen darüber zu unterrichten, dass eine Zwangsvollstreckung des Gegners bei erfolgreicher Berufung gem. § 717 Abs. 2 ZPO zum Schadensersatz verpflichtet.
Der mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragte Rechtsanwalt hat sicherzustellen, dass das Rechtsmittel form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht (Probleme bereitete die Bestimmung des zuständigen Gerichts v.a. im Fall des § 119 Abs. 1 GVG in der bis 31.8.2009 geltenden Fassung) eingereicht wird. Schwierigkeiten entstehen insb. dann, wenn das Rechtsmittel oder die Rechtsmittelbegründung per Telefax an das Gericht gesandt wird oder wenn der Anwalt den Schriftsatz an eine unrichtige Gerichtsadresse schickt. Diese Themen können an dieser Stelle nicht näher erörtert werden, doch bieten sie Grund für eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen. Jedenfalls verlangt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen zuverlässige Vorkehrungen, um die rechtzeitige Fertigung und Absendung fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen und Vorfristen ordnungsgemäß im Terminkalender und in den Handakten eingetragen und eingehalten werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen. Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit aber weder vorgeschrieben noch allgemein üblich.
Das Rechtsmittel ist frist- und formgerecht zu begründen. Der Rechtsanwalt verletzt bei der Abfassung der Berufungsbegründung seine anwaltlichen Pflichten, wenn er das Rechtsmittel nur auf einen Angriffspunkt, etwa denjenigen der Verjährung, beschränkt, obwohl ein weiterer aussichtsreicher Ansatz, das Urteil anzugreifen, besteht. Das Berufungsverfahren ist dazu zu nutzen, Lücken des erstinstanzlichen Vortrags unter Darlegung der Schuldlosigkeit der Verspätung zu schließen.
Prüfen und sicherstellen muss der mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragte Rechtsanwalt auch, ob die speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, etwa dass bei der Nichzulassungsbeschwerde der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 EUR übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Der mit der Einlegung der Verfassungsbeschwerde beauftragte Rechtsanwalt muss sicherstellen, dass gegen die anzugreifende letztinstanzliche Entscheidung die Gehörsrüge rechtzeitig erhoben und (erfolglos) durchgeführt worden ist.