Rz. 460
Nach der bisherigen Regelung des § 4 Abs. 1 RVG konnte aus einer Vereinbarung eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur gefordert werden, wenn die Erklärung des Auftraggebers schriftlich abgegeben wurde und nicht in der Vollmacht enthalten war (Satz 1); war das Schriftstück nicht vom Auftraggeber verfasst, musste es als Vergütungsvereinbarung bezeichnet und diese von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt werden (Satz 2). Diese Vorschrift entsprach im Wesentlichen dem früheren § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Nunmehr muss im Fall der Gebührenüberschreitung die entsprechende Vergütungsvereinbarung die Textform aufweisen (vgl. Rdn 448 ff.).
Die Beurteilung, ob eine Vereinbarung einen über die gesetzliche Vergütung hinausgehenden Honoraranspruch begründen soll, richtet sich danach, was die Erledigung der gesamten Angelegenheit auf der Grundlage der Vereinbarung im Vergleich zur normierten Regelung kostet; allein die Überschreitung einer einzelnen gesetzlichen Gebühr ist insoweit unerheblich. Ein solcher Vergleich ist erst dann möglich, wenn sich die Höhe der gesetzlichen Vergütung ermitteln lässt, i.d.R. also erst nach Beendigung der anwaltlichen Tätigkeit.
a) Vereinbarte Zusatzvergütung
Rz. 461
Eine höhere als die gesetzliche Vergütung kann sich ergeben aus der Vereinbarung
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einer Pauschalvergütung, |
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eines höheren Streitwertes, |
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eines prozentualen Aufschlags auf den Gebührenbetrag, |
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eines Zeithonorars. |
Rz. 462
Die Frage, ob eine Vergütungsabrede, nach der jede angefangene Viertelstunde mit einem Viertel des vereinbarten Stundensatzes abzurechnen ist, wirksam ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Nach einer vom OLG Düsseldorf vertretenen Ansicht stellt eine derartige Zeittaktklausel eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten dar und führt zur Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB. Nach anderer Auffassung wird die Klausel für wirksam angesehen. Sie besitzt eine Pauschalierungsfunktion, die auch in gesetzlichen Gebührenregelungen Anerkennung gefunden hat. So sieht § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG für die Berechnung der Vergütung von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern vor, dass die letzte bereits begonnene Stunde voll zu vergüten ist, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war. Anderenfalls beträgt die Vergütung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages. Eine weitergehende Regelung dieser Art weist die Steuerberatervergütungsverordnung auf. Nach § 13 StBVV ist für die dort genannten Tätigkeiten jede angefangene halbe Stunde mit einem Stundensatzrahmen von 30,00 bis 70,00 EUR zu vergüten. Diese gesetzliche Regelung stimmt in ihrer Systematik mit einer Zeittaktklausel in einer anwaltlichen Vergütungsvereinbarung überein. Angesichts der Verwendung von Zeittaktregelungen in gesetzlichen Vergütungsbestimmungen liegt die vom OLG Düsseldorf im Blick auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB angenommene Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vor. Die in diesem Zusammenhang erörterte Möglichkeit der Häufung von Kurztelefonaten erscheint fern liegend, weil im Bereich der anwaltlichen Tätigkeit die einzelnen Arbeitsschritte in aller Regel längere Zeitabschnitte als nur einzelne Minuten umfassen. Soweit sich die konkrete Abrechnungsart einer Zeittaktabrede als rechtsmissbräuchlich erweisen sollte, ist es dem Anwalt nach den Geboten von Treu und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen.