Rz. 6
Aus diesem Katalog, der auch für den Patentanwalt und Rechtsbeistand – unabhängig davon, ob dieser Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist oder nicht – gilt, ergeben sich folgende vertraglichen Grund-(Haupt-/"Kardinal"-)pflichten:
Der Rechtsanwalt hat
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das vom Auftraggeber angestrebte Ziel und den dafür maßgeblichen Sachverhalt, zu dem auch bereits erhobene oder noch mögliche Einwände eines Gegners gehören, zu klären (vgl. Rdn 34 ff.), |
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diesen Sachverhalt auf seine rechtliche Erheblichkeit für das angestrebte Ziel zu prüfen (vgl. Rdn 52 ff.), |
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den Mandanten über das Ergebnis der Prüfung der Sach- und Rechtslage zu belehren, die sich daraus ergebenden Zweifel, Bedenken und Risiken darzulegen und geeignete Wege für das weitere Vorgehen – v.a. den sichersten Weg – aufzuzeigen (vgl. Rdn 93 ff.), |
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stets darauf zu achten, dass der Auftraggeber keinen voraussehbaren und vermeidbaren Schaden erleidet (vgl. Rdn 129 ff.). |
a) In den Grenzen des Mandats
Rz. 7
Diese anwaltlichen Grundpflichten bestehen innerhalb der Grenzen eines jeden Mandats, sei es umfassend oder beschränkt (vgl. Rdn 16 ff., § 1 Rdn 56 ff.). Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt diese Grundpflichten bzgl. des jeweiligen Gegenstandes seines – umfassenden oder beschränkten – Auftrags zu erfüllen hat. Sind die Grenzen des erteilten Mandats unklar, hat der Anwalt eine Klarstellung herbeizuführen. Aus der Natur des Anwaltsvertrages ergibt sich, dass der Rechtsanwalt persönlich die ihm übertragenen Aufgaben zu erledigen hat; für eingeschaltete Hilfskräfte haftet er gem. § 278 BGB (vgl. Rdn 408 ff., § 1 Rdn 305 ff.).
b) Während des Mandats
Rz. 8
Diese Hauptpflichten obliegen dem Rechtsanwalt nur während des Mandats; sie beginnen und enden mit dem Anwaltsvertrag (zur Vertragsbeendigung vgl. § 1 Rdn 69 ff.). Kann der Steuerberater das Mandat aus Gründen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen, nicht ordnungsgemäß erfüllen, muss er das Mandat niederlegen, andernfalls er dem Mandanten für Pflichtverletzungen haftet. Kann er sein Mandat wegen unzureichender Kooperation des ausreichend belehrten Mandanten nicht ordnungsgemäß erfüllen, ist eine Haftung ggü. dem Mandanten nicht gegeben, eine Mandatsniederlegung aus diesem Grund nicht nötig, womöglich aber zur Vermeidung steuerstrafrechtlicher oder berufsrechtlicher Gefahren.
c) Nebenpflichten vor und nach der Mandatszeit
Rz. 9
Nach dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann für den Rechtsanwalt außerhalb der Mandatszeit (nur) eine vor- oder nachvertragliche Nebenpflicht zum Schutz des – künftigen bzw. früheren – Mandanten entstehen, deren schuldhafte Verletzung zu einer Haftung führen kann.
Schließt der Anwalt in seiner Kanzlei als Unternehmer (§ 14 BGB) mit einem Verbraucher (§ 13 BGB) einen Anwaltsvertrag, muss er zuvor die Informationspflichten nach § 312a Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246 EGBGB erfüllen, soweit diese einschlägig sind. Bei Mandatsanbahnungen außerhalb der Kanzleiräume und bei Fernabsatzverträgen nach § 312e BGB sind die Informationspflichten nach § 312d BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB zu erfüllen. Von besonderer Bedeutung ist hier die Belehrung über das Widerrufsrecht nach § 312g BGB. Braucht der Verbraucher eine sofortige Beratung, muss sich der Anwalt eine Bestätigung nach näherer Maßgabe des § 356 Abs. 4 BGB geben lassen, dass sich der Verbraucher mit der sofortigen Erbringung der Dienstleistung und dem Erlöschen des Widerrufsrechts einverstanden erklärt. Bei Vertragsabschluss im elektronischen Geschäftsverkehr sind zudem §§ 312i und 312j BGB zu beachten.
Zudem ist für Rechtsanwälte die Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfoV) einschlägig, die der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt dient und zu weiteren, von den vorher genannten Vorschriften unabhängigen vorvertraglichen Informationserteilungen verpflichtet. Schließlich ist ggf. § 5 TMG anzuwenden.
Die Regelungen erscheinen für den Anwalts- und Steuerberatervertrag praxisfern. Einzelheiten sind durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt. Verletzungen dieser Pflichten führen aber zu einem Anspruch auf Schadensersatz, weil sie gerade dem Schutz der Mandanten dienen sollen.
Rz. 10
Wegen eines Verschuldens vor oder bei Vertragsschluss des Anwaltsvertrages (vgl. § 1 Rdn 209 ff.) kann ein Rechtsanwalt z.B. haften, wenn er einen Auftrag, den er nicht annehmen will, nicht unverzüglich ablehnt (§ 44 BRAO; Steuerberater: § 63 StBerG; Wirtschaftsprüfer: § 51 WPO), vgl. dazu § 1 Rdn 210 ff., oder zwar unverzüglich ablehnt, aber in diesem Zusammenhang unrichtige Rechtsauskünfte erteilt, oder wenn er zwischen einer Beiordnung (...