Rz. 323
Vielfach werden Rechtsanwälte beauftragt, einen Vertrag, Allgemeine (Vertrags-) Geschäftsbedingungen, ein Testament o.Ä. zu entwerfen.
Haftungsrechtlich gleich zu behandeln ist der Entwurf einer rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung, z.B. einer Fristsetzung, einer Mahnung, einer Kündigung oder eines Rücktritts. Daneben kann ein Rechtsanwalt beauftragt sein, einen vorgelegten Entwurf zu bewerten und/oder den Mandanten bei Vertragsverhandlungen zu vertreten.
In der Praxis kommt der vorsorgenden, kautelarjuristischen Tätigkeit des Rechtsanwalts neben der Prozessvertretung eine immer stärkere Bedeutung zu. Gleichwohl beachtet das herkömmliche Schrifttum zur Anwaltshaftung weitgehend nur die prozessuale Tätigkeit. Für die Beurteilung der Anwaltstätigkeit außerhalb von Rechtsstreitigkeiten fehlt z.T. das Problembewusstsein. Soweit Sorgfaltsstandards bei kautelarjuristischer Tätigkeit für die Notarhaftung nach §§ 19, 24 BNotO, § 17 BeurkG untersucht worden sind, lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse nur begrenzt auf die Haftung des Rechtsanwalts übertragen. Im Gegensatz zum Rechtsanwalt ist ein Notar Inhaber eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) und zur Unparteilichkeit verpflichtet (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO), während ein Rechtsanwalt die Interessen seines Auftraggebers i.R.d. Mandats bestmöglich wahrzunehmen hat (zur Abgrenzung der anwaltlichen von der notariellen Tätigkeit vgl. § 1 Rdn 145–155). Die Pflichten bei Vertragsgestaltung gehen auf die allgemeinen Pflichten bei außergerichtlicher Beratung zurück. Die dafür aufgestellten Grundsätze gelten daher auch dann, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten bei dem Entwurf von Verträgen berät (vgl. Rdn 308–321). Für die Pflichten bei Vertragsgestaltung lassen sich zudem Erkenntnisse aus den Pflichten bei der Vorbereitung eines Vergleichs – wegen dessen Eigenschaft als materiell-rechtlicher Vertrag (vgl. Rdn 285) – gewinnen (vgl. Rdn 284–303).
Bei einer Beratung über den Kauf eines Grundstücks, das von einem Mieter mit unklarer Mietoptionsklausel genutzt wird, ist der Mandant, der das Haus anderweitig nutzen will, über die Risiken der Optionsklausel zu belehren und es sind vertragliche Regelungen vorzuschlagen, wie den Risiken begegnet werden kann.
Soll der Rechtsanwalt den Mandanten zum Entwurf eines notariellen Kaufvertrages beraten, hat er auf sich daraus ergebende Gefahren für den Mandanten umfassend hinzuweisen, auch wenn in der Praxis bei bestehendem Verkäufermarkt die vom Bauträger beauftragten Notare und v.a. die Bauträger selbst als Verkäufer zu Änderungen der Entwürfe kaum bereit sind. Das ist in manchen Fällen dem Umstand geschuldet, dass bei größeren Bauvorhaben die Kaufverträge aufeinander abgestimmt sein müssen, sichert aber häufig lediglich den rechtlichen Vorteil des Verkäufers. Ist eine nach dem Rat des Anwalts nicht akzeptable Regelung durch Verhandlung nicht abänderbar, ist es allein Sache des Mandanten zu entscheiden, ob er die vom Anwalt dargestellten Risiken eingehen oder vom Kauf Abstand nehmen will.
a) Vorbereitung
Rz. 324
Der Anwalt hat natürlich auch in diesem Zusammenhang zunächst den Sachverhalt zu klären, mit dem Mandanten dessen Ziele zu definieren und die erforderlichen Rechtsprüfungen anhand der (v.a. höchstrichterlichen) Rechtsprechung und Literatur vorzunehmen.
b) Aufklärung über die rechtliche Tragweite
Rz. 325
Der Rechtsanwalt hat bei einem Auftrag, der eine Vertragsgestaltung zum Gegenstand hat, den Mandanten über die rechtliche Tragweite der einzelnen Klauseln aufzuklären. Einzelheiten richten sich wiederum nach den allgemeinen Beratungs- und Aufklärungspflichten (vgl. Rdn 308 ff.). Ein Rechtsanwalt, der den Mandanten bei der Errichtung einer GmbH, die den Geschäftsbetrieb eines in finanzielle Schwierigkeiten geratenen einzelkaufmännischen Unternehmens übernehmen soll, umfassend berät, verletzt seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag, wenn er den Mandanten nicht über den Haftungstatbestand des § 25 Abs. 1 HGB belehrt und keine Gestaltung vorschlägt, die eine Haftung der neu gegründeten Gesellschaft für Verbindlichkeiten des erworbenen Handelsgeschäfts ausschließt. Ist dem Rechtsanwalt die Absicht des Auftraggebers bekannt, die GmbH von Altschulden freizuhalten, muss er deutlich auf das verbleibende Haftungsrisiko hinweisen, das sich aus der vom Mandanten vorgesehenen Gestaltung ergibt. Zudem ist der Rechtsanwalt verpflichtet, dem Mandanten einen Weg aufzuzeigen, um die Haftung der zu gründenden GmbH für die Altschulden zu vermeiden. Hierzu hätte der Rechtsanwalt etwa eine neue, mit der Firma des übernommenen Handelsgeschäfts im Kern nicht verwechselbare neue Firma für die GmbH oder einen Ha...