a) Tatfrage
Rz. 26
Ob der Auftraggeber dem Rechtsanwalt ein umfassendes oder beschränktes Mandat erteilt hat, ist eine Tatfrage, keine Rechtsfrage.
Rz. 27
Zwar hat der BGH in einem Fall, in dem der Rechtsanwalt das "eingeschränkte Mandat" einer Prozessführung erhalten hatte, ausgeführt, der Anwalt habe diese Aufgabe nicht völlig isoliert von den übrigen Interessen des Auftraggebers sehen dürfen; vielmehr habe er die mit dem Rechtsstreit unmittelbar zusammenhängenden rechtlichen und wirtschaftlichen Belange seines Mandanten mit berücksichtigen müssen. Das klingt danach, als sei der mit einem beschränkten Mandat betraute Rechtsanwalt von Rechts wegen stets verpflichtet, solche Interessen des Auftraggebers außerhalb des Mandatsgegenstandes zu wahren; dies wäre nicht gerechtfertigt, weil sich der Wille der Partner des Anwaltsvertrages nur auf einen beschränkten Vertragsgegenstand und damit auf eine entsprechende anwaltliche Leistungspflicht erstreckt hat. Die Entscheidung des BGH muss aber dahin verstanden werden, dass das Prozessmandat tatsächlich von den Vertragspartnern dahin erweitert worden war, dass der Anwalt die Verjährung von Ansprüchen zu verhindern hatte, die der Mandant bei einem Prozessverlust gegen einen Dritten (den Steuerberater des Mandanten) hatte.
Rz. 28
Ein solches erweitertes Mandat liegt nahe, wenn der Anwalt – anders als in einem vom BGH entschiedenen Fall – keinen unbeschränkten Auftrag zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen mehrere Schuldner erhält, sondern nur mit einem "Musterprozess" gegen einen Schuldner beauftragt wird; dann wird sich dieses Mandat i.d.R. darauf erstrecken, die Verjährung der Ansprüche des Auftraggebers gegen die übrigen Schuldner zu vermeiden. Anders kann es in solchen Fällen dann sein, wenn der Mandant mit der Wahrnehmung seiner Interessen ggü. denjenigen Schuldnern, die nicht Prozessgegner sind, einen anderen Rechtsanwalt beauftragt.
b) Steuerfragen
Rz. 29
Tatfrage des Einzelfalls ist es auch, ob das anwaltliche Mandat sich auf Steuerfragen erstreckt. Der Rechtsanwalt ist der berufene Berater und Vertreter auch im Steuerrecht (vgl. § 3 BRAO). Andererseits pflegen Mandanten zwischen einer anwaltlichen Beratung im Steuerrecht und auf anderen Rechtsgebieten zu unterscheiden. Dieser Erfahrungssatz gilt aber nicht, wenn der beauftragte Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht oder zugleich Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer ist (vgl. § 1 Rdn 137); in solchen Fällen ist auch ein steuerrechtliches Mandat naheliegend. In anderen Fällen bedarf es dafür bestimmter tatsächlicher Anhaltspunkte, etwa wenn eine Steuerfrage für ein anwaltliches betreutes Rechtsgeschäft des Mandanten von ausschlaggebender Bedeutung ist oder eine besondere Vergütung für Steuerberatung vereinbart ist.
c) Verjährung
Rz. 30
Besondere Bedeutung gewinnt die Feststellung des Mandatsgegenstandes bei der Prüfung, ob ein (neuer) Rechtsanwalt einen Regressanspruch des Mandanten gegen einen früher für diesen tätigen Rechtsanwalt hat verjähren lassen. Dieses Problem ergibt sich häufig bei nacheinander tätigen Prozessanwälten desselben Auftraggebers, v.a. nach altem Verjährungsrecht für die Frage, ob die sekundäre Pflicht eines Anwalts zum Hinweis auf die eigene mögliche Regresshaftung und deren Verjährung entfallen ist mit der Beauftragung eines anderen Anwalts. Der Prozessauftrag, der regelmäßig nur die Vertretung des Auftraggebers im Rechtsstreit umfasst, kann sich darauf erstrecken, einen Regressanspruch des Mandanten gegen dessen früheren Anwalt zu prüfen und die Verjährung eines solchen Anspruchs zu verhindern. Eine entsprechende Erweiterung des Prozessmandats liegt nahe, wenn der Mandant das Vertragsverhältnis mit dem Erstanwalt wegen des Verdachts einer Pflichtverletzung vorzeitig beendet hat und der Zweitanwalt dies weiß. Dies gilt auch, wenn der Auftraggeber ggü. seinem Berufungsanwalt dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten eine Pflichtverletzung vorwirft. Anders kann dies sein, wenn der Auftraggeber nach der Beauftragung des Berufungsanwalts noch mit dem erstinstanzlichen Anwalt wegen der Verjährungsfrage korrespondiert; damit kann der Mandant zum Ausdruck gebracht haben, dass er diese Frage nicht zum Gegenstand des Mandats des Berufungsanwalts gemacht hat.
d) Umfassendes Mandat mit Weisung oder beschränkter Auftrag
Rz. 31
Kann ein umfassendes Mandat mit einer Weisung des Auftraggebers (§§ 665, 675 Abs. 1 BGB) oder aber ein beschränkter Auftrag erteilt worden sein, so ist der Wille der Vertragspartner im Wege der Auslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB); es spricht für ein beschränktes Mandat, wenn der ...