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Besondere Umstände, aufgrund derer ein Rechtsanwalt gem. §§ 157, 242 BGB ausnahmsweise verpflichtet ist, den Mandanten unaufgefordert über das Kostenrisiko aufzuklären, können insb. vorliegen, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten über eine Rechtsverfolgung im Ausland berät.[823] Andere Rechtsordnungen sehen nicht immer – anders als die §§ 91 ff. ZPO – Ansprüche der in einem Rechtsstreit obsiegenden Partei auf Erstattung der Prozesskosten vor[824] oder kennen keine streitwertorientierte Kostenberechnung.[825] In vielen ausländischen Rechtsordnungen ist es üblich, dass Anwälte insb. nach dem zeitlichen Aufwand für die Mandatsbearbeitung abrechnen. Dies kann die Rechtsverfolgung bei Sachverhalten mit einem niedrigen Gegenstandswert im Vergleich zu Deutschland erheblich verteuern, ja sogar wirtschaftlich unsinnig machen.[826] Auf ein solches mit der Rechtsverfolgung verbundenes Kostenrisiko muss ein Rechtsanwalt den Mandanten daher grds. hinweisen. Dies beruht darauf, dass der Mandant insoweit besonders schutzbedürftig ist, weil er aufgrund seiner Erwartungen, die auf der Rechtspraxis in Deutschland beruhen, nicht mit abweichenden Regelungen im Ausland rechnet. Entsprechendes kann auch umgekehrt gelten, wenn der Rechtsanwalt einen ausländischen Mandanten im Inland vertritt, der mit den Besonderheiten des deutschen Rechtsystems nicht vertraut ist. Beauftragt der Auftraggeber einen deutschen Rechtsanwalt, zur Prüfung ausländischen Rechts oder zur Führung eines Rechtstreits mit einem ausländischen Anwalt zusammenzuarbeiten (vgl. § 1 Rdn 356–384), ist vor der Beauftragung des ausländischen Anwalts zur Vermeidung von Missverständnissen dessen Vergütung zu klären und der Mandant sodann über die voraussichtlich anfallenden, u.U. nicht erstattungsfähigen Kosten aufzuklären.

[823] Sieg, Internationale Anwaltshaftung, S. 141.
[824] Zur Rechtslage in Frankreich, wo das Gericht die unterlegene Partei zwar zu einer Entschädigung verurteilen kann (Art. 700 NCPC), deren Höhe aber in aller Regel nicht ausreicht, das Anwaltshonorar abzudecken: Recq, AnwBl. 1993, 67, 68 f. In den USA gilt nach common law der Grundsatz, dass die unterlegene Partei eines Rechtsstreits nicht verpflichtet ist, der obsiegenden Partei ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten (sog. American Rule). Hierzu etwa: Jestaedt, RIW 1986, 95 ff.; Maxeiner, RIW 1990, 440, 445; Pera, S. 133 ff.; Weinschenk, RIW 1990, 435 ff.; zur Erstattungsfähigkeit der Kosten ausländischer Verkehrsanwälte vgl. etwa BGH, 28.9.2011 – I ZB 97/09, NJW 2012, 938; Escher/Keller-Kemmerer, IPrax 2014, 233.
[825] Zu dem Honorarrecht US-amerikanischer Anwälte: Pera, S. 94 ff.
[826] In den USA wird es erst ab einem Gegenstandswert von 10.000,00–100.000,00 US$ als wirtschaftlich angesehen, einen Rechtsstreit zu beginnen, soweit der Rechtsanwalt nicht auf der Basis eines Erfolgshonorars tätig wird: Maxeiner, RIW 1990, 440, 445.

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