Rz. 97

Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-)Entscheidungen ("Weichenstellungen") in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen.[488] Die Erklärungen müssen dem Mandanten, der verlässlich über bestimmte Rechtfolgen unterrichtet werden will, um darauf seine Entscheidung gründen zu können, eine (annähernd) zutreffende Vorstellung von den Handlungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteilen vermitteln.[489] Der Mandant – nicht an seiner Stelle der Rechtsanwalt – hat nach der Rechtsberatung z.B. zu entscheiden,

ob er ein Recht geltend machen[490] oder sich gegen einen Anspruch wehren soll (vgl. Rdn 210 ff.);[491]
ob er einen Vergleich schließen soll (vgl. Rdn 284 ff.);[492]
ob er ein Rechtsmittel einlegen oder zurücknehmen soll (vgl. Rdn 254 ff.);[493]
ob er einen Vertrag schließen oder lösen soll (vgl. Rdn 308 ff., 323 ff.);
welchen wesentlichen Inhalt seine rechtsgeschäftliche Willenserklärung haben soll[494] (vgl. Rdn 323 ff.).

Es ist nicht Aufgabe des Beraters, dem Auftraggeber solche grundlegenden Entschlüsse in dessen Angelegenheit abzunehmen. Auf Verlangen des Mandanten sollte der Rechtsberater allerdings – sofern dies möglich ist – eine Empfehlung geben, wie nach seiner Einschätzung am besten vorgegangen werden kann. Erscheint eine von mehreren rechtlich möglichen Alternativen deutlich vorteilhafter als die anderen, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine entsprechende Empfehlung zu erteilen.[495]

[488] BGH, NJW 1992, 1159, 1160; BGH, NJW 1995, 449, 450; BGH, NJW 1996, 2648, 2649 = WM 1996, 1824; BGH, 13.3.2008 – IX ZR 136/07, WM 2008, 1560, Tz. 15; BGH, 1.3.2007 – IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261, Tz. 10 = NJW 2007, 2485; für den Steuerberater: BGHZ 129, 386, 396 = WM 1995, 1450; BGH, WM 1997, 335, 338, insoweit nicht abgedr. in BGHZ 134, 212; BGH, WM 1999, 1342, 1344; BGH, WM 2004, 472; BGH, 13.3.2008 – IX ZR 136/07, WM 2008, 1560, Tz. 15; BGH, 26.6.2008 – IX ZR 145/05, WM 2008, 1563, Tz. 14; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2010, 867, 868.
[490] Vgl. BGH, WM 2003, 1628: Abtretungsverbot für Klageforderung und Beweisnot; BGH, WM 2004, 481: Mahnbescheid nach Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens.
[491] BGH, NJW-RR 2000, 791: Verteidigung eines Patents im Nichtigkeitsverfahren.
[492] Vgl. BGH, NJW 1993, 1325, 1326; BGH, NJW 2000, 1944 = WM 2000, 1353; BGH, NJW 2002, 1048, 1049: jeweils Scheidungsvergleich; BGH, NJW 1994, 2085; BGH, WM 2000, 1353 f.; BGH, NJW 2002, 292: jeweils Abfindungsvergleich nach Unfall; BGH, NJW-RR 2000, 791, 793: Vergleich im Patentnichtigkeitsverfahren; zur anwaltlichen Beratungspflicht im Rahmen von Vergleichsverhandlungen: OLG Düsseldorf, NJWE-VHR 1997, 12 (rk. nach Nichtannahme der Revision durch Beschl. des BGH, 12.6.1997 – IX ZR 188/96); Edenfeld, MDR 2001, 972.
[493] BGH, WM 2003, 1146, 1148 = NJW 2003, 2022: Möglichkeit und Aussicht einer Revision (Nichtzulassungsbeschwerde); BGH, WM 2004, 436 f. = NJW 2003, 2986: Rechtsmittel gegen ein Räumungsurteil und Rechtsbehelfe gegen Zwangsvollstreckung; BGH, VersR 1958, 526, 527: Kein Rechtsmittel gegen Scheidungsurteil entgegen Weisung des Mandanten; OLG Karlsruhe, VersR 1995, 937, 938: Einlegung der Revision entgegen anwaltlichem Rat; BGH, VersR 1961, 467, 468 ff.: Rücknahme der Berufung in einem Vergleich.
[494] BGH, WM 1995, 1504: Testament.

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