Rz. 466
Nach altem Recht (§ 4 Abs. 1 Satz 1, 2 RVG a.F./§ 3 Abs. 1 Satz 2 BRAGO, vgl. Rdn 447) war die Vergütungsvereinbarung nur im Fall der Gebührenüberschreitung formbedürftig. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf diese Rechtslage, die noch für eine nicht geringe Anzahl von Fällen – nicht zuletzt im Rahmen der Anwaltshaftung – von Bedeutung sein dürfte. Entspricht die Erklärung des Auftraggebers, mit der dieser einer Vergütungsvereinbarung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 RVG a.F.)/§ 3 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zugestimmt hat, nicht den Formerfordernissen dieser Vorschriften, so ist die Vereinbarung nichtig (§ 125 Satz 1 BGB), sodass der Rechtsanwalt nur die gesetzliche Vergütung verlangen kann. Beruft sich der Mandant auf den Formmangel, so ist dies nur ausnahmsweise als treuwidrig anzusehen. Der Mandant kann jedoch eine formunwirksame Vergütungsvereinbarung – etwa durch Stundungsbitten – schriftlich bestätigen und damit im Einvernehmen mit dem Rechtsanwalt wirksam machen (§ 141 BGB).
Erbringt der Auftraggeber freiwillig und ohne Vorbehalt die nicht formgerecht vereinbarte Vergütung, so kann er diese, soweit sie über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, nicht wegen Formwidrigkeit der Abrede zurückfordern (§ 4 Abs. 1 Satz 1, 2 RVG a.F./§ 3 Abs. 1 Satz 2 BRAGO). Die seit 1.7.2008 geltende Regelung des § 4b RVG weist diese Einschränkung nicht mehr auf.
Rz. 467
Eine freiwillige, vorbehaltlose Leistung i.S.d. bisherigen Bestimmungen liegt nur dann vor, wenn der Auftraggeber gewusst hat, dass er mehr zahlt, als ohne Vereinbarung nach dem Gesetz zu zahlen wäre; die Unklagbarkeit der Forderung braucht dem Mandanten nicht bekannt gewesen zu sein. Auch ein Verzicht auf die Rückforderung setzt ein solches Bewusstsein voraus. Eine freiwillige Leistung scheidet aus, wenn der Rechtsanwalt sein Tätigwerden von Vorschusszahlungen abhängig gemacht hat. Gleiches gilt, wenn sich der Mandant in Rechtsnot befindet, weil etwa der Verteidiger während der laufenden Hauptverhandlung die Fortsetzung des Mandats von der sofortigen Zahlung der Vergütung abhängig macht.
Rz. 468
Der Rechtsanwalt hat darzulegen und zu beweisen, dass der Auftraggeber eine freiwillige, vorbehaltlose Leistung in diesem Sinne erbracht hat; ein dokumentierter Hinweis, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Gebühren übersteigt, kann die erforderliche Unterrichtung des Mandanten beweiskräftig belegen.
Rz. 469
Eine Teilerfüllung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a.F./§ 3 Abs. 1 Satz 2 BRAGO auf denjenigen Betrag, der die gesetzliche Vergütung überschreitet, kann den Formmangel i.H.d. Leistung heilen.
Rz. 470
Ein Vorschuss auf den gesetzlichen Vergütungsanspruch (vgl. Rdn 446) kann nicht einseitig vom Rechtsanwalt nachträglich als Leistung auf eine spätere mündliche Vergütungsvereinbarung gewertet werden, um den Formmangel gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a.F./§ 3 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zu heilen; der Schutzzweck des Formerfordernisses dieser Vorschriften würde sonst unterlaufen.