aa) Pflichtverletzung
Rz. 11
Erste Voraussetzung für einen vertraglichen Regressanspruch des Mandanten ist eine bestimmte objektive Pflichtverletzung des Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers (im Einzelnen vgl. Rdn 14 ff.), also ein pflichtwidriges Tun oder Unterlassen.
(1) Pflichtverletzung nach altem Recht
Rz. 12
Nach dem alten Leistungsstörungsrecht des BGB, das auf die vor dem 1.1.2002 geschlossenen Rechtsberaterverträge anzuwenden ist (Art. 229 § 5 EGBGB; vgl. § 3 Rdn 1 f.) und noch immer einige Zeit für die Haftungspraxis relevant sein wird, besteht eine anwaltliche Pflichtverletzung regelmäßig in einer Schlechterfüllung ("positiven Vertragsverletzung – pVV") des grds. vorliegenden Dienstvertrages oder einer nachvertraglichen, noch diesem Vertrag entspringenden Pflicht. Sie kann einen Verstoß gegen die vertragliche Hauptpflicht zur Rechtsberatung und/oder -vertretung des Auftraggebers oder die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht (§ 242 BGB) betreffen. Erledigt ein steuerlicher Berater eine von Gesetzes wegen fristgebundene Maßnahme – z.B. eine Steuererklärung oder einen Jahresabschluss – zu spät, so liegt auch dann eine Schlechterfüllung des Vertrages – kein Verzug – vor, weil sich eine solche Fristenregelung an den Auftraggeber, nicht an den Berater richtet.
Ein Rechtsberater kann auch wegen Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht vor oder bei Vertragsschluss ("culpa in contrahendo – c.i.c."; vgl. § 1 Rdn 208 ff.) haften.
Nur selten wird ein Schadensersatzanspruch des Mandanten gegen den Rechtsberater aus Verzug (§§ 286, 326 BGB a.F.) oder zu vertretender Unmöglichkeit (§§ 280, 325 BGB a.F.) gegeben sein.
Besondere Rechtsgrundlagen für einen Ersatzanspruch des Auftraggebers – auch nach aktuellem Leistungsstörungsrecht (vgl. § 3 Rdn 1 ff.) – können § 627 Abs. 2 Satz 2 und § 675 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 667, 668, 671 Abs. 2 Satz 2 BGB (vgl. Rdn 387 ff.) sein.
Ist der Rechtsberatervertrag ausnahmsweise ein Werkvertrag (vgl. Rdn 3, § 1 Rdn 5 ff.), so hat der Rechtsberater für die Mangelfreiheit seines Werks einzustehen (§§ 633 ff. BGB).
Da sich inhaltlich kaum etwas geändert hat, ist die Rechtsprechung zum alten Recht inhaltlich auf das aktuelle Recht insoweit weitgehend übertragbar.
(2) Pflichtverletzung nach aktuellem Recht
Rz. 13
Nach neuem Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff. BGB; vgl. § 3 Rdn 4 ff.), das aufgrund des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 für Rechtsberaterverträge gilt, die seit dem 1.1.2002 geschlossen wurden oder künftig noch geschlossen werden (Art. 229 §§ 5 ff. EGBGB i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 des Modernisierungsgesetzes), steht ein Regressanspruch des Mandanten wegen Schlechterfüllung der vertraglichen Hauptpflicht zur Rechtsbetreuung (Rechtsberatung und/oder -vertretung) aus dem regelmäßig vorliegenden Dienstvertrag im Vordergrund. Dabei kann es sich um eine "nicht wie geschuldet" erbrachte (Schlecht-)Leistung oder um eine Verletzung einer leistungsbezogenen Nebenpflicht – etwa einer Warnpflicht aus beschränktem Mandat (vgl. Rdn 19 ff.) – handeln (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB; vgl. § 3 Rdn 4 ff.).
Ein Schadensersatzanspruch wegen Verspätung der anwaltlichen Leistung (teilweiser oder vollständiger Nichtleistung) richtet sich bei Verzögerung nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB (vgl. § 3 Rdn 29), bei Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB (vgl. § 3 Rdn 13 ff.).
Ein Schadensersatzanspruch kann sich ferner ergeben
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bei "Ausschluss der Leistungspflicht" (teilweiser oder vollständiger Unmöglichkeit der Leistung) aus § 280 Abs. 1, 3, § 283 BGB (vgl. § 3 Rdn 31 ff.; zur Ersatzpflicht bei anfänglicher – schon bei Vertragsschluss vorhandener – Unmöglichkeit: § 311a BGB; vgl. § 3 Rdn 36); |
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wegen Verstoßes gegen eine nicht leistungsbezogene Neben-(Schutz-)Pflicht aus § 280 Abs. 1, 3, § 282, § 241 Abs. 2 BGB (vgl. § 3 Rdn 28); |
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wegen Verschuldens vor oder bei Vertragsschluss aus §§ 280, 311 Abs. 2, 3 BGB (vgl. § 3 Rdn 12). |
Bei einem Anwaltswerkvertrag gelten die Vorschriften des neuen allgemeinen Leistungsstörungsrechts bis zur Abnahme des Werks (§ 640 BGB), hilfsweise bis zur Vollendung eines nicht abnahmefähigen Werks (§ 646 BGB). Insb. hat der Besteller bis zu diesem Zeitpunkt einen Erfüllungsanspruch auf Herstellung eines mangelfreien Werks (§ 633 Abs. 1 BGB). Nach der Abnahme beschränkt sich dieser Anspruch auf das hergestellte und abgenommene Werk; Rechte des Bestellers wegen Mängel dieses Werks richten sich dann nach der Sonderregelung der §§ 634 ff. BGB.
bb) Weitere Haftungsvoraussetzungen
Rz. 14
Hat der Rechtsanwalt durch eine objektiv vertragswidrige, nicht ausnahmsweise durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckte und damit rechtswidrige Pflichtverletzung (vgl. § 4 Rdn 8 ff.) – oder durch einen entsprechenden objektiven Verstoß gegen eine vorvertragliche Pflicht ...