Rz. 473
Eine unangemessen hohe, vereinbarte Vergütung kann im Rechtsstreit – nach Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer – auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden (§ 3a Abs. 2 Satz 3 RVG). Diese Regelung entspricht den bisherigen Bestimmungen in § 4 Abs. 4 RVG a.F./§ 3 Abs. 3 BRAGO. Dadurch sollen zum Schutz des Mandanten überzogene Vergütungsabreden, die mit der besonderen Stellung eines Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) unvereinbar sind, auf ein angemessenes Entgelt zurückgeführt werden. Dieses richterliche Herabsetzungsrecht, das unmittelbar in die Vertragsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant eingreift, ist, wie die ähnlich ausgestalteten Regelungen in § 343 BGB (Vertragsstrafe) und § 655 BGB (Maklerlohn), zwingendes Recht; es kann mithin in einer Vergütungsabrede weder durch Allgemeine Geschäftsbedingungen noch individualvertraglich abbedungen werden. Das beim Vorstand der Rechtsanwaltskammer einzuholende Gutachten soll die Kontrolle des anwaltlichen Billigkeitsermessens durch das Prozessgericht unterstützen und unterliegt der freien richterlichen Würdigung.
aa) Allgemeine Grundsätze
Rz. 474
Die Frage der Unangemessenheit beurteilt sich unter dem allgemeinen Gesichtspunkt des § 242 BGB danach, ob sich das Festhalten an der getroffenen Vereinbarung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als unzumutbar und als ein unerträgliches Ergebnis darstellt. Das vereinbarte Honorar ist unangemessen hoch, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr einem sachgerechten Interessenausgleich entspricht. Nach dem der Vorschrift des § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG in Einklang mit § 242 BGB innewohnenden Rechtsgedanken kommt die Abänderung einer getroffenen Vereinbarung nur dann in Betracht, wenn es gilt, Auswüchse zu beschneiden. Der Richter ist jedoch nach dieser Regelung nicht befugt, die vertraglich ausbedungene Leistung durch die billige oder angemessene zu ersetzen. Folglich ist nicht darauf abzustellen, welche Vergütung im gegebenen Fall als angemessen zu erachten ist, sondern darauf, ob die zwischen den Parteien getroffene Honorarvereinbarung nach Sachlage als unangemessen hoch einzustufen ist. Für eine Herabsetzung ist daher nur Raum, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten. Es muss demnach ein krasses, evidentes, vom Willen des Mandanten offenkundig nicht mehr abgedecktes Missverhältnis zwischen der anwaltlichen Leistung und ihrer Vergütung gegeben sein.
Für die allgemeine Beantwortung der Frage, ob eine vereinbarte Vergütung unangemessen hoch ist, kommt es nicht darauf an, was bei Vertragsschluss vorauszusehen war und bei der Vereinbarung kalkuliert wurde. Einzubeziehen ist vielmehr auch die spätere Entwicklung bis zur Beendigung des Mandats.
bb) Strafrechtliches Mandat
Rz. 475
Vereinbart ein Rechtsanwalt bei einer Strafverteidigung eine Vergütung, die mehr als das Fünffache der gesetzlichen Höchstgebühren beträgt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie unangemessen hoch ist und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 BRAGO verletzt. Diese Vermutung konnte nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung durch den Rechtsanwalt nur dann entkräftet werden, wenn er ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlegt, die es möglich erscheinen lassen, die Vergütung bei Abwägung aller für § 3 Abs. 3 BRAGO maßgeblichen Gesichtspunkte nicht als unangemessen hoch anzusehen. Der BGH hatte bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass Klärungsbedarf hinsichtlich der Voraussetzungen besteht, unter denen der An...