Rz. 409
Aus dem Anwaltsvertrag haftet ein Rechtsanwalt seinem Mandanten für schuldhaftes Verhalten oder Unterlassen der von ihm eingeschalteten Hilfspersonen unter den Voraussetzungen des § 278 BGB. Es geht nicht lediglich um die Zurechnung von Verschulden, sondern um die Zurechnung schuldhafter Verletzung von Pflichten, die an sich dem Rechtsanwalt oblagen. Diese Zurechnung erstreckt sich auch auf eine Haftung des Rechtsanwalts aus Verschulden bei Vertragsschluss (vgl. § 1 Rdn 209) oder aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl. § 10 Rdn 1 ff.). Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB ist jeder, der mit dem Willen des Rechtsanwalts bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als dessen Hilfsperson tätig wird, also etwa Bürovorsteher, Anwaltsgehilfen, Schreibkräfte, technisches Personal, Boten oder auch studentische Hilfskräfte und Referendare. Eine solche Hilfsperson kann auch ein anderer Anwalt sein, der von dem mandatierten Rechtsanwalt in eigenem Namen beauftragt wird, etwa ein ausländischer Anwalt, der zur Beurteilung des dortigen Rechts eingeschaltet wird, ein Terminvertreter oder ein Anwalt, dem Untervollmacht zur selbstständigen Einlegung einer Berufung erteilt wird.
Rz. 410
Die Zurechnungsnorm des § 278 BGB betrifft nur das vertragliche Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten oder sonstige schon bestehende rechtliche Sonderverbindungen, in deren Rahmen der Anwalt den Gehilfen zur Erfüllung seiner eigenen Pflichten einsetzt. Sie ist nicht anwendbar im Verhältnis zu Dritten.
Rz. 411
Ein Tätigwerden in Erfüllung einer Verbindlichkeit setzt voraus, dass die von dem Erfüllungsgehilfen erbrachte Tätigkeit objektiv im Bereich des vom Rechtsanwalt geschuldeten Gesamtverhaltens liegt, also objektiv zum Pflichtenkreis des Anwalts als Schuldner des Mandanten gehört. Maßgebend ist der konkrete Pflichtenkreis, der durch Art und Inhalt des jeweiligen Schuldverhältnisses, hier des Anwaltsvertrages, festgelegt wird. Die schuldhafte Handlung oder das schuldhafte Unterlassen des Erfüllungsgehilfen muss in einem inneren, sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben stehen, die der Rechtsanwalt ihm im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen hatte. Hierzu zählt etwa die unterlassene Erfassung einer Frist durch einen Büroangestellten. Sogar vorsätzliche deliktische Handlungen eines Erfüllungsgehilfen können dem Rechtsanwalt nach § 278 BGB zuzurechnen sein, etwa eine Unterschlagung oder Veruntreuung anvertrauter Mandantengelder unter Ausnutzung der ihm anvertrauten Stellung. Dies hat das RG in einem Fall angenommen, in dem der Bürovorsteher eines Rechtsanwalts, dem dieser während seiner Abwesenheit in weitem Umfang den Verkehr mit den Mandanten überlassen hatte, einen Auftraggeber auf betrügerische Weise zur Hergabe von Wertpapieren veranlasst und diese anschließend unterschlagen hatte.
Rz. 412
An dem notwendigen inneren, sachlichen Zusammenhang fehlt es, wenn der Erfüllungsgehilfe lediglich bei Gelegenheit der Vertragserfüllung schuldhaft handelt. Die Haftung des Rechtsanwalts entfällt, wenn das pflichtwidrige Verhalten aus dem allgemeinen Aufgabenkreis herausfällt, den der Erfüllungsgehilfe für den Rechtsanwalt wahrzunehmen hat. Zwar greift § 278 BGB auch dann ein, wenn die Hilfspersonen gegen die Weisungen des Geschäftsherrn verstoßen; er gewinnt hier oft sogar erst seine besondere Bedeutung. Die Einstandspflicht des Geschäftsherrn für eigenmächtiges Verhalten seines Gehilfen ist aber dann zu verneinen, wenn dessen Verfehlung sich von dem ihm übertragenen Aufgabenbereich so weit entfernt, dass aus der Sicht eines Außenstehenden ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln der Hilfsperson und dem allgemeinen Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben nicht mehr zu erkennen ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Gehilfe rein zufällig mit den Rechtsgütern des Geschädigten in einer Weise in Berührung gekommen ist, die ihm lediglich die Gelegenheit bot, wie ein deliktisch handelnder Dritter eine von den ihm übertragenen Aufgaben völlig losgelöste unerlaubte Handlung zu begehen.
Rz. 413
Allerdings kann der Rechtsanwalt wegen eigenen Verschuldens (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) aus dem Anwaltsvertrag zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er die von ihm in die Mandatsbearbeitung einbezogenen Hilfspersonen nicht ausreichend angewiesen und überwacht hat, seinen Bürobetrieb nicht hinreichend organisiert oder sogar das Fehlverhalten der von ihm eingeschalteten Hilfsperson veranlasst, gebilligt oder geduldet hat. Unzureichend ist etwa eine Weisung, die Vorfrist für eine Berufungsbegründung zu streichen und die im Kanzlei-PC gespeicherte Berufungsbegründung "bei Gelegenheit" auszufertigen und ihm zur Unterschrift vorzulegen, weil damit nicht hinreichend sichergestellt ist, dass die Sache so rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt wird, dass etwaige bei der dann gebotenen Überprüfung ...