Rz. 433
Der BGH nimmt an, dass ein anwaltlicher Vergütungsanspruch "durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes" entstehe. Dies betrifft die Fälle, in denen eine bestimmte anwaltliche Vergütung in einem Anwaltsvertrag mit Rechtsbeistandspflicht nicht vereinbart worden ist (vgl. §§ 611 Abs. 1, 631 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB). Dann lässt sich für den Regelfall, dass bei Vertragsschluss die Vergütung nicht angesprochen worden ist, dieses Ergebnis der Rechtsprechung für einen Anwaltsdienstvertrag aus §§ 612 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB und für einen Anwaltswerkvertrag aus §§ 632 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB ableiten; ergänzend gilt die gesetzliche Vergütungsregelung. Der Auftraggeber muss bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts regelmäßig damit rechnen, dass er die gesetzliche anwaltliche Vergütung zu zahlen hat. Allerdings hat der Rechtsanwalt nunmehr die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO zu beachten (vgl. Rdn 421).
Rz. 434
Danach braucht der Rechtsanwalt ungefragt den Mandanten bei Vertragsschluss grds. nicht auf die gesetzliche Vergütungspflicht nach dem RVG hinzuweisen. Maßgeblich ist insoweit, dass kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Fachberaters erwarten darf und dessen gesetzliche Gebühren allgemein zu erfahren sind. Nur diesbezügliche Rückfragen muss der Rechtsanwalt wahrheitsgemäß beantworten. Auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe seines Entgelts mitzuteilen.
Rz. 435
Unter besonderen Umständen des Einzelfalls kann der Rechtsanwalt – ausnahmsweise – nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet sein, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären. Insoweit sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen:
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einerseits der Schwierigkeitsgrad und Umfang der anwaltlichen Aufgabe, |
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ein ungewöhnlich hoher Gegenstandswert und sich daraus ergebende hohe Gebühren, die das vom Auftraggeber erstrebte Ziel wirtschaftlich sinnlos machen können, |
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andererseits die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie dessen Vermögensverhältnisse und Erfahrung im Umgang mit Rechtsanwälten. |
Letztlich hängt eine solche Aufklärungspflicht entscheidend davon ab, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis des Mandanten, vor Abschluss des Anwaltsvertrags die voraussichtliche Vergütungshöhe zu erfahren, erkennen konnte und musste.
Rz. 436
Ein solches Aufklärungsbedürfnis wird regelmäßig gegeben sein, wenn der Rechtsanwalt nur eine geringfügige Vertragstätigkeit erbringen soll, die in keinem angemessenen Verhältnis zu voraussichtlich hohen Gebühren nach einem ungewöhnlich hohen Gegenstandswert steht; dann muss der Auftraggeber Gelegenheit haben, nach Hinweis auf die Kosten über die Beauftragung des Rechtsanwalts zu entscheiden. Ferner ist der Anwalt regelmäßig zu einem Hinweis verpflichtet, dass die ihm aufgetragenen Urkundsentwürfe der notariellen Beurkundung bedürfen und dass dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Ist im (Vergütungs-)Prozess streitig, ob der Anwalt die gebotenen Hinweise erteilt hat, ist insoweit der Mandant beweisbelastet.
Dagegen kann auch mit Rücksicht auf Treu und Glauben ein Interesse des Auftraggebers, vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Vergütung ungefragt unterrichtet zu werden, trotz eines hohen Gegenstandswertes zu verneinen sein, wenn der Rechtsanwalt eine ungewöhnlich schwierige, umfangreiche Tätigkeit entfalten soll und die Angelegenheit für den Auftraggeber große Bedeutung hat, sodass die anfallenden Gebühren aus der Sicht des Rechtsanwalts in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen des Auftraggebers stehen.
Rz. 437
Eine Pflicht, vor Vertragsschluss den Auftraggeber über die voraussichtliche Anwaltsvergütung aufzuklären, ist so zu erfüllen, dass dieser die Gesamthöhe der zu erwartenden Gebühren annähernd sicher überblicken kann; vermag der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe der Vergütung selbst noch nicht abschließend abschätzen, so ist ein entsprechender Vorbehalt ggü. dem Auftraggeber nötig. Nach dem BGH ist regelmäßig darauf hinzuweisen, welche Gebühren voraussichtlich entstehen werden.
Rz. 438
Verletzt der Rechtsanwalt eine Pflicht, vor Vertragsschluss den Auftraggeber über die voraussichtliche Vergütung aufzuklären, so kann dieser deswegen einen Schadensersatzanspruch erwerben, der der anwaltlichen Vergütungsforderung entgegensteht (zu § 49b Abs. 5 BRAO vgl. Rdn 421).