a) Zum Sachverhalt
Rz. 139
Bei der Gesamtschuld ist besondere Vorsicht im Hinblick auf eine mögliche Verjährung des Ausgleichsanspruchs geboten. Der Anspruch nach § 426 Abs. 1 BGB verjährt in der Regelfrist des § 195 BGB (drei Jahre). Der Ausgleichsanspruch entsteht gleichzeitig mit der Gesamtschuld, so dass ungünstigstenfalls (bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn, § 199 BGB) die Verjährung gleichzeitig mit dem Schadensfall zu laufen beginnt. Für § 426 Abs. 2 BGB gilt die Verjährungsfrist des übergegangenen Anspruchs, meist also fünf Jahre gem. § 634a BGB.
Rz. 140
Wenngleich die Gesamtschuldner im Außenverhältnis unbegrenzt haften, ist im Innenverhältnis ihre Haftungsquote beschränkt. Gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB haften sie grundsätzlich zu gleichen Teilen. In entsprechender Anwendung des § 254 BGB findet jedoch eine Quotierung entsprechend dem jeweiligen Verursachungsbeitrag statt; am Ende muss also jeder entsprechend seinem quotalen Beitrag zum Schaden haften. Zahlt ein Gesamtschuldner an den Gläubiger einen Betrag, der seinen Haftungsanteil übersteigt, kann er von den anderen Gesamtschuldnern Ausgleich verlangen. Dogmatisch ergibt sich dies sowohl über den originären Ausgleichsanspruch gem. § 426 Abs. 1 BGB als auch über die cessio legis des § 426 Abs. 2 BGB.
Rz. 141
Die Frage, wie hoch die Haftungsquote ist, ist eine Rechts- und keine Sachverständigenfrage. Dennoch wird ein Gericht bei der Beurteilung der Haftungsquoten regelmäßig sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen bzw. sich manchmal sogar ausschließlich auf die Einschätzung des Sachverständigen zur Verteilung der Haftungsanteile stützen. Deswegen ist im vorstehenden Muster die Zuordnung einer 30 %-igen Haftungsquote an den Bauüberwacher auch unter Sachverständigenbeweis gestellt, auch wenn die Quote streng genommen nicht durch Sachverständigenbeweis, sondern durch richterliche Bewertung zu entscheiden ist.
b) Streitverkündung
Rz. 142
Wird ein Baubeteiligter vom Besteller klageweise in Anspruch genommen und kommt ein Regress gegenüber Dritten in Betracht, sollte der in Anspruch genommene Unternehmer stets an eine Streitverkündung denken. Denn zum einen tritt dann gegenüber dem Streitverkündungsempfänger die Interventionswirkung gem. §§ 74, 68 ZPO ein. Zum anderen ist gem. § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB mit Zustellung der Streitverkündung die Verjährung der Regressansprüche gehemmt.
Rz. 143
Die Streitverkündung muss aber gem. § 72 Abs. 1 ZPO zulässig sein, sonst treten ihre Wirkungen nicht ein. Da über die Zulässigkeit erst – oft nach Jahr und Tag – im Folgeprozess entschieden wird, kann eine unzulässige Streitverkündung zur Verjährung des Anspruchs und damit einer Haftung des Anwalts führen. Zulässig ist die Streitverkündung in Fällen der alternativen, nicht aber der kumulativen Schuldnerschaft. Für den Bauprozess bedeutet das:
Rz. 144
Ein Gläubiger kann nicht wirksam einen von zwei Gesamtschuldnern (z.B. zwei Bauunternehmer, die gemeinsam einen Mangel verursacht haben) verklagen und dem anderen den Streit verkünden: Die Klage gegen den einen wäre natürlich wirksam, die Streitverkündung ginge aber ins Leere und bewirkte beispielsweise keine Verjährungshemmung. Ebenso wenig ist zulässig eine Streitverkündung des Bestellers gegen den Gewährleistungsbürgen des vom Besteller verklagten, mangelhaft leistenden Unternehmers. In beiden Fällen muss der Besteller gleich beide Schuldner verklagen.
Ausreichend ist aber eine nur teilweise alternative Schuldnerschaft: Zulässig ist daher beispielsweise im Prozess des Bestellers gegen den mangelhaft leistenden Unternehmer eine Streitverkündung des Bestellers gegenüber einem Architekten, der mangelhaft geplant hat.
Zulässig ist es auch, wenn – wie hier – einer von mehreren Gesamtschuldnern, der vom Gläubiger verklagt ist, einem weiteren Gesamtschuldner zur Vorbereitung des Regresses den Streit verkündet.