Rz. 12

Die Nacherfüllung ist die "zweite Chance" für den schlechtleistenden Unternehmer. Er ist als der Hersteller des Werks der Sachnächste und derjenige, der grundsätzlich die schnellste und effizienteste Herbeiführung bzw. Wiederherstellung des Werkerfolgs gewährleistet.

 

Rz. 13

Nacherfüllung ist auf zwei Arten denkbar, entweder in einer kompletten Neuherstellung des Werkes oder in einer bloßen Mängelbeseitigung. Grundsätzlich ist es Sache des Unternehmers, zu entscheiden, welche Art der Nacherfüllung er ergreift und auf welche Weise er den Werkerfolg herbeiführt. Deswegen trägt der Unternehmer auch das Risiko der Nacherfüllung.[16] Die Nacherfüllung muss allerdings eine fachgerechte und nachhaltige Beseitigung des Mangels gewährleisten.

Der Besteller hat in aller Regel keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Nacherfüllung. Anders kann dies nur dann sein, wenn objektiv nur eine einzige Art der Nacherfüllung geeignet ist, um den Werkerfolg herbeizuführen. In diesem Fall konkretisiert sich die Nacherfüllungspflicht des Unternehmers auf diese spezifische Art der Nacherfüllung.[17]

Das Wahlrecht des Unternehmers gilt entsprechend § 242 BGB auch dann nicht, wenn er eine völlig unzureichende Nacherfüllung plant bzw. eine solche versuchen will, bei der von Anfang an absehbar ist, dass keine vollständige, nachhaltige und den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Mängelbeseitigung erreicht wird.[18] Die Qualität des geeigneten Nachbesserungsversuchs wird anhand objektiver Maßstäbe beurteilt. Es kommt nicht darauf an, welche Erkenntnisse der Werkunternehmer zum Zeitpunkt der Abgabe des entsprechenden Nachbesserungsversuchsangebots hatte.[19]

 

Rz. 14

Der Unternehmer hat sämtliche für die Nacherfüllung anfallenden Kosten zu tragen, § 635 Abs. 2 BGB. Im Verhältnis zu seinem Besteller hat der Unternehmer seit je u.a. auch sämtliche erforderlichen Aus- und Einbaukosten für den Austausch mangelhafter Bauteile zu tragen.[20] § 439 Abs. 3 BGB gibt den Unternehmer für die erforderlichen Ein- und Ausbaukosten zudem einen gesetzlichen Anspruch auf Aufwendungsersatz gegenüber dem Lieferanten.

 

Rz. 15

Der Unternehmer muss nicht nacherfüllen, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB[21]), wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert (§ 275 Abs. 2 BGB), ihm die persönliche Leistungserbringung nicht zugemutet werden kann (§ 275 Abs. 3 BGB) oder wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist (§ 635 Abs. 3 BGB). Die Nacherfüllung ist ebenso mit Ausübung des Rücktritts- oder Minderungsrechts bzw. mit dem Verlangen auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 Abs. 4 BGB) ausgeschlossen. Die Fallgruppen der Unzumutbarkeit überschneiden sich teilweise in ihrem Anwendungsbereich.

 

Rz. 16

Unzumutbar ist die Nacherfüllung im Regelfall, wenn der zur Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem Mangelbeseitigungserfolg steht. Dies wird anhand einer Einzelfallbetrachtung unter Abwägung der gegenseitigen Interessen beurteilt. Wichtig ist dabei, dass die Gerichte, insbesondere der BGH, das Interesse des Bestellers an einem mangelfreien Werk regelmäßig herausstellen.[22] Wenn die Nutzbarkeit des Werks spürbar beeinträchtigt ist, wird damit regelmäßig keine Unzumutbarkeit vorliegen, selbst wenn die Kosten der Mängelbeseitigung hoch sind und sogar die ursprünglichen Herstellungskosten übersteigen.[23] Unzumutbarkeit wird damit nur bei Mängeln in Betracht kommen, die keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Gebrauchstauglichkeit des Werks haben[24] und gleichzeitig nicht nur unerhebliche Mängelbeseitigungskosten erfordern. Bei der Gesamtabwägung ist zudem zu berücksichtigen, ob der Mangel auf einem Verschulden des Unternehmers beruht und, falls ja, welchen Grad dieses Verschulden aufweist. Allerdings führt der bloße Umstand, dass der Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, nicht per se dazu, dass ihm der Unverhältnismäßigkeitseinwand abgeschnitten ist.[25]

 

Rz. 17

Während die Unmöglichkeit der Nacherfüllung als Einwendung von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird die Unzumutbarkeit der Mängelbeseitigung als Einrede nur dann berücksichtigt, wenn der Unternehmer, unter Berufung auf die Unzumutbarkeit, die Nacherfüllung tatsächlich verweigert. Unter bestimmten Umständen kann die Einrede der Unverhältnismäßigkeit "nachgeschoben" werden.[26]

 

Rz. 18

Der Nacherfüllungsanspruch des Bestellers besteht – vgl. bereits Rdn 10 – grundsätzlich auch nach Ablauf einer Nacherfüllungsfrist fort und erlischt erst mit der Erklärung von Rücktritt bzw. Minderung oder der Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung. Das mit dem Nacherfüllungsanspruch des Bestellers korrespondierende Nacherfüllungsrecht des Unternehmers erlischt dagegen nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist. D.h., wenn eine Frist zur Nacherfüllung abgelaufen ist, muss der Besteller dem Unternehmer keine weitere Nachbesserungsmöglichkeit einräumen, jedoch kann er dies, wenn er möchte. Bei der Nacherfüllungsfrist...

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