Rz. 48
Vielfach wird es in der Praxis für den Gläubiger nicht einfach sein, den Annahmeverzug des Schuldners nachzuweisen. Hat der Gläubiger z.B. ein Urteil erstritten, in dem der Schuldner zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrags verurteilt wird, Zug-um-Zug gegen Rückübertragung veräußerter Grundstücke, kann der Nachweis des Annahmeverzugs in der erforderlichen Form regelmäßig überhaupt nicht erbracht werden. Nach einer Entscheidung des BGH dürfte es jedoch genügen, wenn der Schuldner einem ihm unter Wahrung einer angemessenen Frist mitgeteilten Termin zur Auflassung vor einem Notar einseitig fernbleibt. Der erforderliche Nachweis könnte dann durch die notarielle Bestätigung erbracht werden, dass nur der Gläubiger im Termin anwesend war.
Rz. 49
Dem Gerichtsvollzieher steht grundsätzlich das Recht zu, die vom Gläubiger zu erbringende Leistung abzulehnen, wenn diese nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Der Gerichtsvollzieher muss prüfen, ob die angebotene Gegenleistung richtig und vollständig ist. Im Zweifel kann der Gerichtsvollzieher auch zur weiteren Prüfung einen Sachverständigen beiziehen.
Rz. 50
Streitig wird die Frage beantwortet, wie weit die Prüfungspflicht des Gerichtsvollziehers geht, wenn die dem Gläubiger obliegende Leistung in der Lieferung einer bestimmten Sache besteht, und der Schuldner angebliche Mängel rügt, die den Wert der Sache zwischenzeitlich gemindert haben. Nach einer Auffassung handelt der Gerichtsvollzieher hierbei in eigener Verantwortung und muss die Vollstreckung ablehnen, wenn er die Gegenleistung nicht für ordnungsgemäß hält.
Rz. 51
Nach anderer und zutreffender Auffassung hat der Gerichtsvollzieher nur die Identität der angebotenen Sache zu prüfen. Der Einwand des Schuldners, die im Zug-um-Zug-Urteil als Gegenleistung konkret bezeichnete Sache sei mit einem Mangel behaftet, ist vom Gerichtsvollzieher nicht zu berücksichtigen. Ob sich die Gegenleistung tatsächlich in ihrem früheren Zustand befindet oder verschlechtert hat, ist häufig aus tatsächlichen Gründen nicht überprüfbar – und oft ist die Identität selbst mangels Bestimmtheit des Gegenstands unter den Parteien bereits streitig. Diese Tatsachen können insgesamt nicht in der formalisiert ausgerichteten Zwangsvollstreckung geklärt werden. Bestreitet der Schuldner allerdings die Identität der angebotenen Gegenleistung und reichen der Vollstreckungstitel und die Prüfung des angebotenen Leistungsgegenstands durch den Gerichtsvollzieher zur Feststellung der Identität der Leistung nicht aus, darf die Zwangsvollstreckung wegen ungenügender Bestimmtheit des Leistungsinhaltes im Vollstreckungstitel nicht begonnen werden. Mängel der Gegenleistung, die der Schuldner zu vertreten hat, sind nicht zu berücksichtigen.
Rz. 52
Bei tatsächlichem Streit über die Identität der Gegenleistung selbst bleibt dem Gläubiger nur die Feststellungsklage.
Rz. 53
Gleiches gilt bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung, wenn die dem Gläubiger zu bewirkende Gegenleistung in einer Mängelbeseitigung besteht. Der Schuldner ist nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn der Gläubiger die festgestellten Mängel beseitigt hat. Vielfach wird der Schuldner die Mängelbeseitigung ermöglichen, dann aber bei der von dem Gerichtsvollzieher vorzunehmenden Prüfung der Vollständigkeit der Nachbesserung die unsachgemäße oder unvollständige Mängelbeseitigung rügen. Nach h.M. muss dann der Gerichtsvollzieher ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen selbstständig prüfen, ob die Mängel fachgerecht beseitigt worden sind.
Rz. 54
Hinweis
Um diese Schwierigkeit insgesamt zu umgehen, ist dem Gläubiger dringend zu raten, den Annahmeverzug des Schuldners bereits durch den Vollstreckungstitel nachzuweisen.
Rz. 55
Der Annahmeverzug kann sich hierbei sowohl aus dem Tenor des Urteils ergeben als auch aus den Entscheidungsgründen des zu vollstreckenden Urteils. Die Ausführungen selbst in den Gründen für das Vollstreckungsgericht sind dabei nicht bindend.
Rz. 56
Mängel der Gegenleistung, die bereits während des vorausgegangenen zivilrechtlichen Verfahrens entstanden sind, sind in keinem Fall bei der weiteren Vollstreckung zu berücksichtigen.
Rz. 57
Mängel, die während des Prozessverfahrens nicht gerügt worden sind, können auch später bei der Vollstreckung dem Gerichtsvollzieher gegenüber nicht mit dem Hinweis entgegengehalten werden, es handele sich hierbei nicht um die dem Schuldner gebührende Leistung.
Rz. 58
Hinweis
Zusammenfassend ist dem Gläubiger regelmäßig zu empfehlen, durch entsprechende Antragstellung bzw. Vergleichsformulierung durch das Prozessgericht zu erreichen, dass der Annahmeverzug im Urteil bzw. im Vergleich festgestellt wird.
Rz. 59
Der Gläubiger eines Titels, der eine Vollstreckung nur Zug-um-Zug erlaubt, kann die für das Angebot der Gegenleistung durch den Gerichtsvollzieher entstehenden Gerichtsvollziehergebühren im Regelfall als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung von dem Schuldner erstattet verlang...