Rz. 278
Gepfändete und verwertbare Sachen können durch öffentliche Versteigerung vor Ort verwertet werden, § 814 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Öffentlich bedeutet, dass während der Dauer der Versteigerung jedermann Zutritt zu gewähren ist, soweit dies unter Berücksichtigung der Raumverhältnisse unter Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung möglich ist.
Rz. 279
Kursorischer Überblick (§§ 91–bis 96 GVGA):
Die Versteigerung erfolgt ohne besonderen Antrag des Gläubigers von Amts wegen. Der Zeitpunkt darf nicht vor Ablauf einer Woche seit dem Tage der Pfändung liegen, sofern sich nicht der Gläubiger und der Schuldner über eine frühere Versteigerung einigen oder diese erforderlich ist, um die Gefahr einer beträchtlichen Wertverringerung der zu versteigernden Sache abzuwenden oder um unverhältnismäßige Kosten einer längeren Aufbewahrung zu vermeiden, § 816 Abs. 1 ZPO; z.B. bei verderblichen Waren). Sie soll nicht später als einen Monat nach der Pfändung erfolgen (§ 92 Abs. 3 S. 4 GVGA).
Rz. 280
Ein Aufschub der Verwertung ist nur zulässig, wenn eine Zahlungsvereinbarung gemäß § 802b ZPO geschlossen wird. Dies ist in jeder Lage des Verfahrens, auch noch kurz vor einem bereits bestimmten Versteigerungstermin, möglich, es sei denn, der Gläubiger hat den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung ausgeschlossen (§ 802b Abs. 2 S. 1 ZPO). Wenn der Gläubiger lediglich einen Vollstreckungsauftrag mit einem Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft verbunden hat, hindert dies einen Verwertungsaufschub durch den Gerichtsvollzieher zunächst nicht, § 91 Abs. 3 GVGA.
Rz. 281
Versteigerungsort ist die Gemeinde, in der die Pfändung geschehen ist, oder ein anderer Ort im Bezirk des Vollstreckungsgerichts, sofern nicht Gläubiger und Schuldner sich über einen dritten Ort einigen, § 816 Abs. 2 ZPO). In der Wohnung des Schuldners darf die Versteigerung im Hinblick auf Art. 13 GG nur mit dessen Zustimmung erfolgen.
Rz. 282
Zeit und Ort der Versteigerung sind öffentlich bekannt zu machen, unter allgemeiner Bekanntgabe der zu versteigernden Sachen (z.B. Zeitungsannonce, Aushang). Sämtliche beteiligten Gläubiger sowie der Schuldner sind von dem Termin zu benachrichtigen (§ 92 Abs. 4 GVGA).
Rz. 283
Vor Beginn des Termins stellt der Gerichtsvollzieher die zu versteigernden Sachen zum Verkauf und zur Besichtigung für Kaufinteressenten bereit (§ 94 GVGA). Sodann erfolgt die Eröffnung des Termins mit der Bekanntgabe der Versteigerungsbedingungen und der Aufforderung zur Gebotsabgabe. Dabei sind der gewöhnliche Verkaufswert und das Mindestgebot bekannt zu geben (§ 817a Abs. 1 S. 2 ZPO). Der gewöhnliche Verkaufswert ist der Preis, der unter Berücksichtigung von Ort, Zeit und wirtschaftlichen Umständen üblicherweise erzielt werden kann.
Rz. 284
Hierbei erfolgt die Festlegung des Verkaufswertes regelmäßig durch Schätzung, § 813 Abs. 1 ZPO. Die Schätzung des Wertes von Kostbarkeiten soll dabei einem Sachverständigen übertragen werden, § 813 Abs. 1 S. 2 ZPO. Dies ordnet der Gerichtsvollzieher selbst an. In anderen Fällen kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners die Schätzung durch einen Sachverständigen anordnen, z.B. für die Schätzung gepfändeter Pferde. Hat ein Gerichtsvollzieher es amtspflichtwidrig unterlassen, für die Schätzung des Wertes eines antiken Möbelstücks einen Sachverständigen hinzuzuziehen, was dazu geführt hat, dass das Möbelstück weit unter Verkehrswert versteigert worden ist, kommt Amtshaftung in Betracht, § 839 BGB. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei einem Stollenschrank aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts um eine Kostbarkeit handelt, ergeben sich aus dem Alter, der künstlerischen Gestaltung (hier: gedrechseltes Schrankuntergestell, Schildpattfurnier, Elfenbeinintarsien) und vor allem aus dem unversehrten Zustand des Möbelstücks. Dann muss es sich einem Gerichtsvollzieher, der häufiger mit der Pfändung und Versteigerung von Mobiliar zu tun hat, aufdrängen, dass der Schrank eine Kostbarkeit darstellt, auch wenn der Schrank zum Pfändungszeitpunkt verstaubt oder gar stark verschmutzt war. Wenn allerdings ein Gläubiger bei der Pfändung von Gemälden nicht auf einer Schätzung deren Wertes durch einen Sachverständigen statt durch den Gerichtsvollzieher besteht, kann er im Falle der Versteigerung der Bilder zum durch den Gerichtsvollzieher geschätzten (niedrigeren) Wert keinen Schadenersatz fordern. Hat ein Sachverständiger den Verkaufswert gepfändeter Kostbarkeiten (hier: Juwelen) geschätzt, dann ist der Gerichtsvollzieher nicht berechtigt, nach erfolglos versuchter Versteigerung den Verkaufspreis neu einzuschätzen.
Rz. 285
Behauptet der Schuldner einen Bewertungsfehler des Gerichtsvollziehers bei der Schätzung gepfändeter Gegenstände, so kann er gemäß ZPO § 813 Abs. 1 S. 3 ZPO bei dem Vollstreckungsgericht die Anordnung der Schätzung durch einen Sachverständigen beantragen. Demgegenüber ist die Anfechtung der Schätzung des Gerichtsvollziehers im Wege der Erinn...