I. Grundgesetzlich geschützte Rechte
Rz. 69
Der Gerichtsvollzieher ist grundsätzlich ermächtigt, zum Zweck der Vollstreckung die Wohnung und die Behältnisse des Schuldners oder die Geschäftsräume einer juristischen Person oder Personenvereinigung zu durchsuchen und hierzu auch verschlossene Türen oder Behältnisse öffnen zu lassen (§ 758 Abs. 1, 2 ZPO). Widerstand des Schuldners darf der Gerichtsvollzieher auch durch Gewalt brechen und kann zu diesem Zweck die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane in Anspruch nehmen (§ 758 Abs. 3 ZPO). Kommt es bei der gewaltsamen Öffnung einer Wohnungstür zu Beschädigungen (hier an Türblatt, Türzarge und Türzylinder) haftet für entstandene Schäden am Eigentum unbeteiligter Dritter (hier: Wohnungseigentümer und Vermieter) zunächst der Staat unmittelbar, § 839 BGB, Art. 34 GG. Der Staat kann gegebenenfalls Regress beim Schuldner nehmen. Der Schadensersatzanspruch des Staats richtet sich nach materiellem Recht. Die Inanspruchnahme des Gläubigers als Auftraggeber der Zwangsvollstreckung auf Schadensersatz kommt nicht in Betracht. Dies ist auch sachgerecht, da dem Gläubiger sonst ein für ihn nicht zu überblickendes Kostenrisiko aufgebürdet würde.
Rz. 70
Durchsuchung bedeutet hierbei: ziel- und zweckgerichtetes Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhaltes, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will.
Rz. 71
Die Durchsuchung gegen den Willen des Schuldners setzt nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfG einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss voraus (Art. 13 Abs. 2 GG). Eine ohne entsprechende Durchsuchungsanordnung vorgenommene Pfändung ist unzulässig. Zweifellos geht mit dieser für die Gerichte und Vollstreckungsorgane bindenden Entscheidung der Überraschungseffekt bei der Vollstreckung weitgehend verloren. Die Entscheidung wurde daher in der Vergangenheit zum großen Teil heftig kritisiert.
Rz. 72
Der Gerichtsvollzieher ist aber nicht verpflichtet, den Schuldner auf seine Rechte aus Art. 13 Abs. 2 GG hinzuweisen, auch wenn dies in der Praxis offenbar hin und wieder so gehandhabt wird. Dies ergibt sich aus keiner gesetzlichen Bestimmung. Auch § 61 Abs. 2 S. 1 GVGA besagt nur, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner nach den Gründen zu fragen hat, falls dieser die Durchsuchung verweigern sollte. Seine Erklärungen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach im Protokoll festzuhalten.
Rz. 73
Verweigert der Schuldner dem Gerichtsvollzieher den Zutritt zu seiner Wohnung, vermerkt der Gerichtsvollzieher dies im Pfändungsprotokoll und schickt die gesamten Unterlagen an den Gläubiger zurück (§ 61 Abs. 3 S. 3 GVGA).
Rz. 74
Hinweis
Der Gerichtsvollzieher belehrt den Schuldner zugleich, dass er aufgrund der Durchsuchungsverweigerung zur Abgabe der Vermögensauskunft nach § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verpflichtet ist, sofern ein entsprechender Antrag des Gläubigers vorliegt. Allerdings kann der Schuldner der sofortigen Abnahme widersprechen. Die entsprechende Belehrung vermerkt der Gerichtsvollzieher ebenfalls im Protokoll, § 61 Abs. 2 S. 3, 4 GVGA.
II. Durchsuchungsanordnung erforderlich
Rz. 75
Grundsätzlich ist die Durchsuchungsanordnung erforderlich:
▪ |
bei der Vollstreckung in der Wohnung des Schuldners, wenn dieser den Zutritt verweigert (§ 758a Abs. 1 S. 1 ZPO); |
▪ |
bei der Vollstreckung in den Geschäftsräumen oder Nebenräumen des Schuldners, da auch diese Räume grundgesetzlich geschützt sind (vgl. hierzu auch § 287 Abs. 4 AO, dort sind die Geschäftsräume extra erwähnt); hierzu gehören Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume des Schuldners, einschließlich Abstellräumen, Garagen, Keller, Stall usw., oder Wohnwagen, Hotelzimmer pp.; |
▪ |
bei der Vollstreckung aufgrund eines Nacht- oder Sonn- und Feiertagsbeschlus... |