1. Absolutes Vollstreckungsverbot
Rz. 159
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt die Beschlagnahme des Vermögens des Insolvenzschuldners (§ 80 InsO). Wirksam wird der Eröffnungsbeschluss gem. § 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 InsO. Sobald der Eröffnungsbeschluss aufgehört hat, eine gerichtsinterne Angelegenheit zu sein, treten die insolvenzrechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung bereits mit dem im Beschluss genannten Zeitpunkt seiner Unterzeichnung ein, also mit Rückwirkung.
Rz. 160
Der Umfang der Beschlagnahme wird bestimmt durch §§ 35, 36 InsO. Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist damit grds. das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners, das ihm bei Verfahrenseröffnung gehört und das er während des Verfahrens erwirbt, sog. Neuerwerb. Dieser Neuerwerb als ein Teil der Insolvenzmasse haftet den Insolvenzgläubigern, deren Ansprüche bereits bei Verfahrenseröffnung bestehen müssen (§§ 38, 39 InsO).
Rz. 161
Mit der Beschlagnahme verliert der Schuldner das Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten, über es zu verfügen sowie zu prozessieren. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht geht auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO).
Rz. 162
Gleichzeitig mit der Verfahrenseröffnung wirkt das Vollstreckungsverbot (§ 89 Abs. 1 InsO). Das Vollstreckungsverbot betrifft nicht nur das zur Insolvenzmasse gehörige, sondern auch das sonstige Vermögen des Schuldners (§ 35 InsO). Das Vollstreckungsverbot gilt für Insolvenzgläubiger, nachrangige Insolvenzgläubiger gem. § 39 InsO und auch für sog. Neugläubiger, die erst nach Insolvenzeröffnung einen Anspruch gegen den Schuldner erlangt haben. Von dem Begriff der "Zwangsvollstreckung" gem. § 89 Abs. 1 InsO werden alle Arrestvollziehungen, Einzelzwangsvollstreckungen sowie die Eintragung einer Vormerkung aufgrund einer einstweiligen Verfügung erfasst. Nicht dazu gehören vorbereitende Maßnahmen, z.B. Zustellung oder die Klauselerteilung bzw. -umschreibung.
2. Rückschlagsperre
Rz. 163
Aufgrund der durch § 88 InsO bestehenden sog. Rückschlagsperre werden Sicherungen, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt, mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam (z.B. Pfändungsmaßnahmen, Zwangssicherungshypothek). In einem auf Antrag des Schuldners eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren beträgt die Frist sogar bis zu drei Monate vor der Antragstellung (§ 88 Abs. 2 InsO).
Rz. 164
Die Unwirksamkeit bedeutet allerdings nicht, dass die mit einer Pfändung bewirkte öffentlich-rechtliche Verstrickung ebenfalls unwirksam wird. Eine durch Zwangsvollstreckung im letzten Monat (bzw. in den letzten drei Monaten) vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erlangte Sicherung führt zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des Vermögensgegenstandes. Verstrickung tritt auch ein bei einer während der Dauer des Insolvenzverfahrens durchgeführten Zwangsvollstreckung. Die Wirkungen der Verstrickung dauern im Insolvenzverfahren fort, bis sie auf einem dafür vorgesehenen Weg beseitigt worden sind. Hierzu kann das Vollstreckungsorgan die Vollstreckungsmaßnahme von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten uneingeschränkt aufheben und damit die Verstrickung beseitigen. Solange die öffentlich-rechtliche Verstrickung nicht aufgehoben worden ist, kann das Pfändungspfandrecht nach Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder wirksam werden.
Rz. 165
Eine rechtsgeschäftlich bestellte Sicherung wird durch § 88 InsO nicht erfasst. Eine innerhalb der Sperrfrist aus der Sicherung tatsächlich erlangte Befriedigung bleibt von § 88 InsO gleichfalls unberührt; u.U. unterliegt ein Rechtserwerb insoweit aber der Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO.
Rz. 166
Schaubild: § 89 Abs. 1 InsO
Voraussetzungen: |
1. |
Insolvenzmasse (§ 35 InsO) |
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2. |
Zwangsvollstreckungsmaßnahme |
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3. |
während der Dauer des Insolvenzverfahrens |
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4. |
zugunsten Insolvenzgläubiger (§§ 38, 39 InsO) |
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also nicht: |
Absonderungsberechtigte (§ 49 InsO) |
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Aussonderungsberechtigte (§ 47 InsO) |
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Massegläubiger (§§ 54 ff. InsO) |
Rz. 167
Schaubild: § 88 InsO (Rückschlagsperre)
Voraussetzungen: |
1. |
Insolvenzgläubiger (§§ 38, 39 InsO) |
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2. |
Sicherung durch Zwangsvollstrec... |