Rz. 309
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stand dem Kläger gegen die Beklagte zu 3 kein Anspruch auf Ersatz des vom LG zugesprochenen Schadens zu. Insoweit von der Revision nicht angegriffen hat es Ansprüche nach §§ 823 Abs. 1, 31, 831 Abs. 1 BGB verneint. Die Voraussetzungen des § 1 HPflG a.F. lägen zwar vor, weil der Kläger beim Betrieb einer Schienenbahn wegen eines Fehlverhaltens des Zeugen S. verletzt worden sei. Die Beklagte zu 3 sei gegenüber dem Kläger aber nicht einstandspflichtig, weil zu ihren Gunsten die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs eingriffen. Der Unfall habe sich nämlich auf einer gemeinsamen Betriebsstätte des Klägers und des Zeugen S. i.S.d. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ereignet, so dass die Haftungsfreistellung des Zeugen S. gemäß §§ 104, 106 SGB VII gegenüber dem Kläger dazu führe, dass dieser auch die Beklagte zu 3 nicht erfolgreich in Anspruch nehmen könne.
Rz. 310
Die Ausführungen des Berufungsgerichts hielten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hatte zu Recht angenommen, dass die Beklagte zu 3 dem Kläger nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerverhältnisses hinsichtlich der als Folge ihres Personenschadens geltend gemachten materiellen Ansprüche nicht nach § 1 HPflG a.F. haftet.
Rz. 311
Die Revision meinte, es liege keine gemeinsame Betriebsstätte des Klägers und des Zeugen S. i.S.d. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII vor, so dass die vom Berufungsgericht angenommene Grundlage für die Anwendung der Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerverhältnisses gegenüber der Beklagten zu 3 entfalle. Damit hatte sie keinen Erfolg.
Rz. 312
Nach den vom Senat entwickelten Grundsätzen können in den Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre. Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen. Deshalb hat der Senat den Zweitschädiger in solchen Fällen in Höhe des Verantwortungsteils freigestellt, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinweg denkt, wobei unter "Verantwortungsteil" die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der Eigenanteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen ist.
Rz. 313
In Anwendung dieser Grundsätze trägt dann, wenn auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt, im Innenverhältnis grundsätzlich derjenige den ganzen Schaden, der nachweislich schuldhaft gehandelt hat (vgl. Senatsurt. BGHZ 157, 9, 15 m.w.N.). Mithin hätte im Innenverhältnis zur Beklagten zu 3 der schuldhaft handelnde Zeuge S. – ohne Haftungsprivilegierung – den dem Kläger entstandenen Schaden ganz zu tragen. Daher entfällt eine Haftung der Beklagten zu 3, wenn zwischen dem Kläger und dem Zeugen S. eine gemeinsame Betriebsstätte i.S.d. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII bestanden hat. Dies war der Fall.
Rz. 314
Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte erfasst betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein. Die notwendige Arbeitsverknüpfung kann im Einzelfall auch dann bestehen, wenn die von den Beschäftigten verschiedener Unternehmen vorzunehmenden Maßnahmen sich nicht sachlich ergänzen oder unterstützen, die gleichzeitige Ausführung der betreffenden Arbeiten wegen der räumlichen Nähe aber eine Verständigung über den Arbeitsablauf erfordert und hierzu konkrete Absprachen getroffen werden, etwa wenn ein zeitliches und örtliches Nebeneinander dieser Tätigkeiten nur bei Einhaltung von besonderen beiderseitigen Vorsichtsmaßnahmen möglich ist und die Beteiligten solch...