Rz. 332
a) Der Fall
Rz. 333
Der Kläger, ein selbstständiger Fuhrunternehmer, begehrte Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens infolge eines Unfalls auf dem Betriebsgelände der M. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Der Beklagte zu 1 war Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, der Beklagte zu 2 war bei ihr als Gabelstaplerfahrer beschäftigt.
Rz. 334
Der Kläger stellte am 29.9.2003 seinen Lkw auf dem Betriebsgelände ab, um ihn von dem Beklagten zu 2 beladen zu lassen. Nachdem sich beide darüber abgesprochen hatten, wo genau welche Ware mit welchem Gewicht auf dem Lkw abgestellt werden sollte, belud der Beklagte zu 2 mit dem Gabelstapler zunächst den vorderen Teil der Ladefläche. Anschließend trat der Kläger, der sich bis dahin in der Nähe des Fahrzeugs aufgehalten hatte, zum vorderen Teil der Ladefläche, um dort die Klappen an der Fahrerseite zu schließen. In diesem Moment fuhr der Beklagte zu 2 mit dem Gabelstapler gegen das linke Bein des Klägers, wodurch dieser schwere Verletzungen erlitt.
Rz. 335
Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen erkannte den Unfall mit Bescheid v. 13.4.2004 als Arbeitsunfall an.
Rz. 336
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 337
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLGR Bremen 2007, 253 veröffentlicht ist, hielt etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 2 für nach §§ 106 Abs. 3 Alt. 3, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen, weil beide zum Unfallzeitpunkt vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet hätten. Die Ladetätigkeit sei von einem notwendigen Miteinander im Arbeitsablauf geprägt gewesen, bei dem sich beide Arbeitsbereiche zwangsläufig überschnitten hätten und beide Personen aufeinander hätten Rücksicht nehmen müssen.
Rz. 338
Auch Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 seien ausgeschlossen. Die Haftungsfreistellung der Insolvenzschuldnerin folge zwar nicht schon aus § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII. Doch ergebe sich der Anspruchsausschluss nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs.
Rz. 339
Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 2 sei zum Ersatz des dem Kläger entstandenen Personenschadens gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht verpflichtet, traf im Ergebnis zu.
Rz. 340
Der Kläger war im Unfallzeitpunkt Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies stand mit Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII aufgrund des Bescheids v. 13.4.2004 fest, mit dem die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt hatte. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Mit der Einordnung als Arbeitsunfall und damit als Versicherungsfall (§ 7 Abs. 1 SGB VII) in einem unanfechtbaren Bescheid der Unfallversicherungsträger ist deshalb für das Zivilverfahren auch bindend entschieden, dass der Geschädigte "Versicherter" der gesetzlichen Unfallversicherung war (vgl. Senatsurt. BGHZ 129, 195, 198; 166, 42, 44; v. 20.12.2005 – VI ZR 225/04, VersR 2006, 416, 418; v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06, VersR 2007, 1131, 1132 und v. 22.4.2008 – VI ZR 202/07). Die Anerkennung als Arbeitsunfall im Bescheid v. 13.4.2004 wurde unabhängig von der Notwendigkeit, die Beklagten nach § 12 Abs. 2 SGB X zu dem Verfahren hinzuzuziehen (vgl. Senatsurt. v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06, VersR 2008, 255, 256), auch diesen gegenüber unanfechtbar, da sie in ihrer Rechtsstellung dadurch nicht nachteilig betroffen wurden (vgl. OLG Hamm VersR 2000, 602; OLG Zweibrücken SP 2002, 127). Eigene Feststellungen zur Versicherteneigenschaft des Klägers im Unfallzeitpunkt hatte das Berufungsgericht folglich entgegen der Auffassung der Revision angesichts der vom Zivilgericht von Amts wegen zu beachtenden (vgl. Senatsurt. v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06 a.a.O. und v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06 a.a.O.) Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII nicht zu treffen.
Rz. 341
Vom Zivilgericht zu prüfen sind im Streitfall dagegen die Voraussetzungen für eine Haftungsfreistellung des Beklagten zu 2 (§§ 106 Abs. 3 Alt. 3, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Dafür ist ausschlaggebend, ob sich der zum Unfallzeitpunkt in der gesetzlichen Unfallversicherung gesetzlich oder freiwillig versicherte Unternehmer (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 und 9, § 3 und § 6 SGB VII) als Geschädigter diese Haftungsfreistellung entgegenhalten lassen muss, wenn er von einem Versicherten eines anderen Unternehmers geschädigt wird, wä...