Rz. 367
a) Der Fall
Rz. 368
Die Klägerin machte aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Mitarbeiters B. Schadensersatzansprüche wegen eines Unfalls auf ihrem Betriebsgelände geltend, bei dem B. durch die Explosion eines Druckbehälters in der Kältezentrale, den der bei der Beklagten zu 1 beschäftigte Beklagte zu 2 überprüfen sollte, schwer verletzt wurde.
Rz. 369
Die Klägerin erteilte der Beklagten zu 1 am 18.10.2002 den Auftrag, Heizungsausdehnungsgefäße auf ihrem Betriebsgelände zu überprüfen. Die Beklagte zu 1 ließ diesen Auftrag am 14.11.2002 durch zwei ihrer Mitarbeiter, unter anderem den Beklagten zu 2, ausführen. Nachdem die beiden Mitarbeiter der Beklagten zu 1 bereits einige Ausdehnungsgefäße überprüft hatten, meldete sich der Beklagte zu 2 bei B., der als Betriebshandwerker bei der Klägerin beschäftigt war, um die Druckbehälter in der Kältezentrale zu kontrollieren. Die Zeugen B. und H., beide Arbeitnehmer der Klägerin, schlossen den Mitarbeitern der Beklagten zu 1 daraufhin die Tür zur Kältezentrale auf und riefen in der Leitzentrale an, um die Kleinkälteanlage für die Zeit der Überprüfung außer Betrieb zu setzen. Während der Beklagte zu 2 die Überprüfung vornahm, explodierte das Ausdehnungsgefäß, wodurch sowohl der Beklagte zu 2 als auch der Zeuge B., der in der Nähe eigenen Arbeiten nachging, schwer verletzt wurden. Die Ursache der Explosion war zwischen den Parteien streitig.
Rz. 370
Das LG hat der Klage – soweit es sie für entscheidungsreif hielt – durch Teilgrund- und Teilendurteil hinsichtlich des Zahlungsantrages in Höhe von 21.072,43 EUR sowie hinsichtlich des Feststellungsantrags stattgegeben und weiter die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt, soweit die Klägerin den weiteren entgangenen Gewinn des Zeugen B. aufgrund des Unfalles geltend gemacht hatte. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil des LG mit Ausnahme eines von den Beklagten in Höhe von 345,42 EUR anerkannten Betrages durch Teilanerkenntnis- und Endurteil abgeändert und die Klage im Übrigen – auch unter Einbeziehung des vom LG noch nicht entschiedenen Teils des Klagebegehrens – abgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erstrebte die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, soweit nicht durch Teilanerkenntnisurteil entschieden worden war.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 371
Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lag eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.d. § 106 Abs. 3 SGB VII, die eine Haftungsprivilegierung nach §§ 104, 105 SGB VII hätte rechtfertigen können, nicht vor.
Rz. 372
Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats erfasst der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein (vgl. Senatsurt. v. 17.10.2000 – VI ZR 67/00, BGHZ 145, 331, 336; v. 24.6.2003 – VI ZR 434/01, BGHZ 155, 205, 207 f.; v. 16.12.2003 – VI ZR 103/03, BGHZ 157, 213, 216 f. und v. 17.6.2008 – VI ZR 257/06, BGHZ 177, 97 Rn 19 m.w.N.). § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinandertreffen. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als "dieselbe" Betriebsstätte; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als "gemeinsame" Betriebsstätte rechtfertigt (vgl. Senatsurt. v. 23.1.2001 – VI ZR 70/00, VersR 2001, 372, 373; v. 14.9.2004 – VI ZR 32/04, VersR 2004, 1604 f. und v. 8.6.2010 – VI ZR 147/09, VersR 2010, 1190 f.).
Rz. 373
Nach diesen Grundsätzen war die Beurteilung des Berufungsgerichts, durch das bloße Aufschließen der Kühlzentrale durch die Mitarbeiter der Klägerin, die telefonische Verständigung der Leitzentrale zum Abschalten der Anlage und die schlichte räumliche Nähe des Zeugen B. zum Explosionsherd sei von einer gemeinsamen Betriebsstätte ...