Rz. 461
Nach Auffassung des Berufungsgerichts schied eine Tierhalterhaftung nach §§ 833, 847 a.F. BGB aufgrund der Haftungsbefreiung nach § 104 SGB VII aus. Die Klägerin sei für die Beklagte wie eine Versicherte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig gewesen, da sie eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt habe. Die Handlungstendenz der Klägerin sei in erster Linie dahin gegangen, den Zwecken der Beklagten zu dienen. Bei der von ihr für die Beklagte am Unfalltag übernommenen Tätigkeit handele es sich um eine typische von der Halterin des Pferdes zu erfüllende Aufgabe. Eine solche werde auf dem Arbeitsmarkt auch von Reitbetrieben bzw. durch von Pferdehaltern beschäftigte Pferdepfleger mit entsprechendem Aufgabenbereich und Bereitern im Interesse der Halter der Tiere ausgeübt. Das Ausreiten könne deshalb nach den Umständen am Unfalltag nicht lediglich einer reitsportlichen Betätigung im Rahmen einer gegenseitigen reitsportlichen Gefälligkeit zugeordnet werden. Maßgebend sei das Interesse der Beklagten als Halterin eines Pferdes gewesen, diesem die notwendige Bewegung zu verschaffen.
Rz. 462
Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Revision rügte mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Vorschrift des § 108 SGB VII nicht beachtet hatte. Nach dieser Vorschrift sind Gerichte außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit bei Entscheidungen über die in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Ansprüche u.a. hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte gebunden. Nach § 108 Abs. 2 SGB VII hat das Gericht sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Abs. 1 ergangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt es dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist.
Rz. 463
Die Vorschrift verfolgt das Ziel, durch eine Bindung von Gerichten außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit an Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und Sozialgerichte divergierende Beurteilungen zu vermeiden und damit eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten. Deshalb steht die Aussetzung nicht im Ermessen des Gerichts.
Rz. 464
Bereits zu der früheren Gesetzeslage, die insoweit keine ausdrückliche Anordnung enthielt, hatte der BGH im Hinblick auf den Zweck und die Gesetzesgeschichte der §§ 637 ff. RVO ein gebundenes Ermessen angenommen, das dem Richter die Aussetzung nach § 148 ZPO bis zum Vorliegen einer endgültigen Entscheidung der Sozialbehörden oder -gerichte zur Pflicht machte (vgl. BGHZ 129, 195, 202 f.). Darüber hinaus sind nach der Rechtsprechung des BGH bindende Entscheidungen über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung oder der Sozialgerichtsbarkeit auch zu berücksichtigen, wenn sie – wie hier – erst nach Einlegung der Revision ergehen. Eine solche Entscheidung bindet die Zivilgerichte, um in dieser Frage den Vorrang jener fremden Verfahrenszuständigkeiten vor der Zivilgerichtsbarkeit sicherzustellen; damit betrifft sie die Grenzen der Sachprüfung auch für das Revisionsgericht (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1993 – VI ZR 158/93, VersR 1993, 1540, 1541 und v. 24.6.1980 – VI ZR 106/79, VersR 1980, 822).
Rz. 465
Diesen Erfordernissen trägt nunmehr § 108 SGB VII ausdrücklich Rechnung. Wird diese Vorschrift nicht beachtet, kann dies zu Ergebnissen führen, die das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttern, wenn – wie hier – zwischen dem Zivilgericht und den Unfallversicherungsträgern unterschiedliche Auffassungen über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bestehen und der Geschädigte deshalb weder Schadensersatz noch eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zugesprochen erhält. Um dies zu vermeiden, ist in einem solchen Fall eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung der Sozialversicherungsträger oder der Sozialgerichte erforderlich. Das Berufungsurteil war daher schon deswegen aufzuheben, weil das Berufungsgericht die Vorschrift des § 108 SGB VII nicht beachtet hatte.
Rz. 466
Das Berufungsgericht wird im weiteren Verfahren auch zu prüfen haben, ob die Beklagte am sozialversicherungsrechtlichen Verfahren beteiligt wurde. Nach § 12 Abs. 2 SGB X ist nämlich ein Dritter auf Antrag als Beteiligter zu diesem Verfahren hinzuzuziehen, wenn dessen Ausgang für ihn rechtsgestaltende Wirkung hat; soweit er der Behörde bekannt ist, hat sie ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen. Wurde die Beklagte an dem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren nicht in der gebotenen Weise beteiligt, wäre dieses mit einem Fehler behaftet, der dazu führen kann, dass die Entscheidungen im sozialversicherungsrechtlichen und sozialgerichtlichen Verfahren ihr gegenüber nicht bindend wären. Gemäß § 108 SGB VII kann daher eine Entscheidung des Berufungsgerichts grundsätzlich erst ergehen, wenn auch gegenüber der Beklagten, die sich auf ei...