Rz. 485
Das Berufungsgericht hatte offen gelassen, ob sich der Unfall auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet hat. Es meinte, eine Haftung der Beklagten sei jedenfalls nach § 104 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ausgeschlossen, denn der Kläger sei wie ein Beschäftigter der Beklagten tätig geworden, weil die Ladetätigkeit allein deren Aufgabe gewesen sei. Ob dem Kläger dadurch möglicherweise Unfallversicherungsschutz bei zwei Berufsgenossenschaften gewährt werde, sei unerheblich, weil er vorliegend lediglich einen Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens geltend mache, den er gegenüber der Berufsgenossenschaft seines Stammbetriebs nicht erheben könne.
Rz. 486
Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hatte die Tatbestandsvoraussetzungen des § 104 SGB VII unter Verstoß gegen die Bestimmung des § 108 SGB VII für gegeben erachtet.
Rz. 487
Nach dieser Vorschrift sind Gerichte außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit bei Entscheidungen über die in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Ansprüche hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist, an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte gebunden. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Entscheidung darüber, ob ein Verletzter einen Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 S. 1 SGB VII erlitten hat (Senatsurt. BGHZ 166, 42, 44). Diese Bindung hat das Zivilgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (Senatsurt. v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06, VersR 2007, 1131, 1132; Wussow/Schneider, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 79 Rn 5). Sie setzt der eigenen Sachprüfung – auch des Revisionsgerichts – Grenzen (Senatsurt. BGHZ 158, 394, 397; v. 19.10.1993 – VI ZR 158/93, VersR 1993, 1540, 1541; v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06, a.a.O. und v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06, VersR 2008, 255, 256). Das Zivilgericht ist an die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers bzw. des Sozialgerichts gebunden, und zwar unabhängig davon, ob es die von dem Sozialversicherungsträger getroffene Entscheidung inhaltlich für richtig hält (vgl. BAG, NZA 2007, 262, 265; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., § 108 SGB VII Rn 6; ErfK-ArbR/Rolfs, 8. Aufl., § 108 SGB VII Rn 1). Da das Zivilgericht die Bindung von Amts wegen zu berücksichtigen hat, sind Feststellungen dazu, in welchem Umfang die Bindungswirkung eingetreten ist, zwingend erforderlich (vgl. Senatsurt. BGHZ 158, 394, 396 f.).
Rz. 488
Der Eintritt der Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass die Entscheidung für die Betroffenen unanfechtbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Bescheid gemäß § 77 SGG bestandskräftig geworden oder das Sozialgerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist (Senatsurt. v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06, a.a.O.). Den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ließ sich nicht entnehmen, ob im Streitfall eine Entscheidung eines Unfallversicherungsträgers mit Bindungswirkung für die Parteien ergangen ist. Die Bestandskraft wäre gegenüber der Beklagten nur dann eingetreten, wenn diese in gebotener Weise an dem Verfahren beteiligt worden wäre, denn ihre Rechte dürfen durch die Bindungswirkung nach § 108 SGB VII nicht verkürzt werden. Um das rechtliche Gehör von Personen, für die der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, zu gewährleisten, bestimmt § 12 Abs. 2 SGB X, dass sie zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind. Für die Anwendung dieser Vorschrift reicht es aus, dass der Bescheid ihre Rechtsstellung berührt oder berühren kann (Senatsurt. BGHZ 129, 195, 200 noch zu § 638 RVO; 158, 394, 397; v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06, a.a.O.; BSGE 55, 160, 162; BVerwGE 18, 124, 129). Diese Voraussetzungen lagen bei der Beklagten vor. Wird der Unfall nämlich nicht als Versicherungsfall anerkannt, muss sie, wenn keine Haftungsprivilegierung eingreift, ggf. für den Personenschaden des Klägers selbst aufkommen.
Rz. 489
Hätte ein Verfahren zwischen dem Kläger und einem Unfallversicherungsträger stattgefunden, an dem die Beklagte nicht in der gebotenen Weise beteiligt war, so wäre das Verfahren mit einem Fehler behaftet, was zur Folge hätte, dass ein Bescheid an den Kläger der Beklagten gegenüber nicht bindend geworden wäre. In diesem Fall wäre das Berufungsgericht an einer Entscheidung über die Klage gehindert (vgl. Senatsurteile BGHZ 129, 195, 202; 158, 394, 397 f.; und v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06, a.a.O.).
Rz. 490
Eine eigenständige Prüfung, ob der Kläger gesetzlich oder freiwillig unfallversichert ist, sowie ob die Beklagte zwar grundsätzlich zivilrechtlich haftet, aber nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII haftungsprivilegiert ist, ist dem Berufungsgericht vor Abschluss eines sozialrechtlichen Verfahrens grundsätzlich verwehrt (Senatsurt. v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06, a.a.O.). Nach § 108 Abs. 2 SGB VII hat das Zivilg...