Rz. 1
Eine facheinheitliche Definition für "Soziologie" besteht nicht. Das Konzept Max Webers, eines für dieses Gebiet wegweisenden Wissenschaftlers, legt den Schwerpunkt in der folgenden Definition auf das soziale Handeln (menschliche Verhalten): "Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will."
Rz. 2
Konkrete Themen, mit denen sich die Soziologie beschäftigt, sind beispielsweise Sozialstrukturen, Arbeit, Geschlechter, soziale Netzwerke, Medien, Migration, Alltag und Lebenswelt. Für viele dieser Themen haben sich spezielle Soziologien etabliert, andere – wie etwa die allgemeine Frage nach den Wechselwirkungen von Handeln und Struktur – sind Themen der allgemeinen Soziologie. Soziologische Fragestellungen überschneiden sich häufig mit solchen der Sozialpsychologie, anderer Sozialwissenschaften und mit denen der Philosophie und anderen Geisteswissenschaften, aber auch mit solchen der Naturwissenschaften, etwa der Neurobiologie.
In der Rechtswissenschaft hat sich die Rechtssoziologie als eigenes Gebiet etabliert. Innerhalb dieser Spezialdisziplin ist das Zivilrecht ein Teilgebiet, worin wiederum das Erbrecht nur einen Aspekt bildet.
Die Rechtssoziologie kann durch die Förderung des Verständnisses von Vererben und Erben insgesamt helfen, Verteilungsauseinandersetzungen und deren Hintergründe sowie die Motivationen des Erblassers zu beleuchten.
Rz. 3
Die "Soziologie der Erbengemeinschaft" ist ein spezielles und zugleich ein weites Thema. Lediglich eine Personenkonstellation ist Gegenstand der Betrachtung. Sie kann aber mit einer Vielzahl von Ansätzen untersucht werden – von der historischen Entwicklung ihrer Zusammensetzung bis zu internationalen Vergleichen, von den inneren Mechanismen bis zu ihrer gesellschaftlichen Relevanz und Rechtfertigung.
Was für den vorliegenden Beitrag nicht geleistet werden konnte, ist eigene Forschung anzustellen. Sie erfordert einen erheblichen zeitlichen und meist auch finanziellen Aufwand.
Dieser Einblick musste sich daher auf veröffentlichte Untersuchungen und Abhandlungen beziehen. Dabei wurden aber nicht nur Publikationen direkt zur Erbengemeinschaft herangezogen – sie sind bestenfalls dünn gesät. Es wurden vielmehr aus Werken zu anderen Themen Versatzstücke und dortige Teilaspekte für die hier interessierenden Fragen genutzt.
Das Kapitel ist ein Versuch, das Thema "Soziologie der Erbengemeinschaft" überhaupt zu erfassen. Dazu wird sogleich der Stand der Forschung dargestellt. Daraus werden im dritten Teil einige Fragestellungen entwickelt und Aspekte behandelt, zu denen schon (Teil-)Antworten gegeben werden können.