Dr. iur. Stephanie Herzog, Matthias Pruns
1. Keine Rechtsgrundlage für einen Übergang auf die nächsten Angehörigen
Rz. 48
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist kein Platz für einen Übergang von Rechten an Inhalten auf die (nächsten) Angehörigen des Erben.
Rz. 49
Das KG führt zwar aus: "Auf der anderen Seite nimmt es das Gesetz aber offensichtlich hin, dass über die Verkörperung und den damit einhergehenden Vermögensbezug auch höchstpersönliche Inhalte dem Erben zukommen, auch wenn diese nach der Konzeption des § 1922 BGB und der Annahme eines postmortalen Persönlichkeitsrechts eigentlich nicht den Erben, sondern allenfalls den Angehörigen als Hüter dieses postmortalen Persönlichkeitsrechts treuhänderisch zugestanden hätte."
Rz. 50
Diese Ausführungen lassen jedoch ein falsches Verständnis des weiten Vermögensbegriffes des § 1922 BGB erkennen. Die "Konzeption des § 1922 BGB" geht, wie wir gesehen haben (siehe Rdn 22, 38 ff.) gerade nicht von einer Differenzierung nach Inhalten aus.
Rz. 51
Abgesehen von der Frage, wer sich genau hinter dem Begriff der "(nächsten) Angehörigen" verbergen soll (z.T. wird auf § 22 S. 4 KunstUrhG zurückgegriffen), sieht das Gesetz den Übergang von Rechtspositionen auf nächste Angehörige des Verstorbenen grundsätzlich nicht vor. Die Annahme, höchstpersönliche digitale Inhalte gingen auf die (nächsten) Angehörigen über, entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage.
Rz. 52
Sonderfälle, wie etwa § 22 S. 3 KunstUrhG (Einwilligung), sind nicht verallgemeinerungsfähig, sondern bestätigen diesen Befund, da sie ansonsten überflüssig wären. Angehörige können zwar im Falle der gesetzlichen oder gewillkürten Erbfolge Rechte an der Erbschaft haben. In diesem Fall sind sie aber eben als Erben und nicht in ihrer Eigenschaft als Angehörige berechtigt. Ohne Erben zu sein, können die nächsten Angehörigen allenfalls als Dritte eigene Rechte an Nachlassbestandteilen geltend machen, z.B. weil sie auf Bildern des Erblassers abgebildet sind oder weil in seinem Nachlass Aufzeichnungen, Briefe oder Urkunden enthalten sind, die auch sie betreffen (hierzu siehe auch § 3 Rdn 32 ff.).
2. Auch das Persönlichkeitsrecht des Erblassers bietet keinen Anknüpfungspunkt für einen Rechtsübergang auf die Angehörigen
Rz. 53
Ein Übergang von Rechtspositionen auf die nächsten Angehörigen lässt sich schließlich auch nicht aus dem Persönlichkeitsrecht des Erblassers herleiten.
Zwar können die nächsten Angehörigen im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechtes als Wahrnehmungsberechtigte berufen sein, Rechte des Erblassers postmortal treuhänderisch zu schützen. Das aber auch nur dann, wenn eine Schwelle überschritten ist, die die Menschenwürde des Verstorbenen verletzt.
Rz. 54
Zu diesem Zweck können die nächsten Angehörigen subsidiär Abwehrrechte zum Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen geltend machen, wenn beispielsweise Einträge in "Netzfriedhöfen" das Angedenken des Verstorbenen kompromittieren. Abwehrrechte der nächsten Angehörigen mögen auch dann bestehen, wenn die Erben bestimmte Dateien nicht löschen, obwohl der Erblasser entsprechendes angeordnet hat, oder wenn die Erben Daten auf eine Weise publik machen, die gegen den postmortalen Achtungsanspruch verstößt.
Rz. 55
Das geschützte Recht geht aber nicht auf die nächsten Angehörigen über, was sich zum einen darin zeigt, dass sie an den zu Lebzeiten geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gebunden sind. Zum anderen zeigt es sich darin, dass sie nur Unterlassungs- und Widerrufsansprüche, nicht aber Geldentschädigung oder Gegendarstellung verlangen können.