Rz. 132
Zitat
§ 249 Abs. 2 BGB
1. Der Geschädigte, der statt der wirtschaftlich gebotenen Reparatur ein Ersatzfahrzeug erwirbt, kann die tatsächlich angefallenen Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe der – hypothetisch erforderlichen – Reparaturkosten beanspruchen.
2. Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.
Orientierungssatz juris:
Zitierung zu Leitsatz 1: Aufgabe BGH, Urt. v. 22.9.2009 – VI ZR 312/08 – VersR 2009, 155.
a) Der Fall
Rz. 133
Der Kläger nahm die Beklagten im Wege der fiktiven Schadensabrechnung auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 26.1.2017 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein im Unfallzeitpunkt knapp fünf Jahre alter BMW X1, beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht in der Revisionsinstanz dem Grunde nach außer Streit.
Der Kläger bezifferte den ihm entstandenen Fahrzeugschaden auf der Grundlage eines am 4.2.2017 eingeholten Sachverständigengutachtens auf 5.262,91 EUR netto. Die Beklagte zu 2 legte ihrer Schadensberechnung unter Hinweis auf die im Wohnort des Klägers gelegene Vergleichswerkstatt L. geringere Stundenverrechnungssätze zugrunde und ermittelte Reparaturkosten in Höhe von lediglich 4.503,88 EUR. Auf der Basis hälftiger Haftungsverteilung zahlte sie hierauf einen Betrag in Höhe von 2.251,94 EUR.
Rz. 134
Mit Urt. v. 29.10.2018 hat das Amtsgericht – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – die Reparaturkosten auf den Mittelwert von 4.883,39 EUR geschätzt und die Beklagten auf der Grundlage einer Haftungsquote von 100 % zu ihren Lasten zur Zahlung von weiteren 2.631,45 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die Klage auf Ersatz weitergehender Reparaturkosten hat es abgewiesen.
Unter anderem gegen die Schätzung der Reparaturkosten haben sich die Beklagten mit der Berufung und der Kläger mit der Anschlussberufung gewandt. Nach dem zwischenzeitlichen Erwerb eines Neufahrzeugs zum Preis von 17.990 EUR inklusive Umsatzsteuer in Höhe von 2.872,35 EUR hat der Kläger die Klage um einen Umsatzsteueranteil in Höhe von 999,95 EUR – begrenzt auf den bei der Durchführung notwendiger Reparaturen laut Privatgutachten angefallenen Betrag – erweitert. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer Reparaturkosten auf 2.361,96 EUR reduziert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Umsatzsteueranteil in Höhe von 876,64 EUR nebst Zinsen zu zahlen; die weitergehenden Rechtsmittel hat es zurückgewiesen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger den Ersatz weiterer Reparaturkosten in Höhe von 306,90 EUR nebst darauf entfallender Umsatzsteuer und Zinsen.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 135
Das angefochtene Urteil hielt den Angriffen der Revision nicht stand. Das Berufungsgericht hatte bei der Bemessung der Höhe des dem Kläger entstandenen Fahrzeugschadens rechtsfehlerhaft die in der Vergleichswerkstatt L. am 9.2.2017 eingetretene Preiserhöhung nicht berücksichtigt und damit Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt.
Rz. 136
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs in Geld grundsätzlich nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung; im Rechtsstreit ist, wenn noch nicht vollständig erfüllt ist, der prozessual letztmögliche Beurteilungszeitpunkt, regelmäßig also der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, maßgeblich. Wie der Senat nach Erlass der angegriffenen Entscheidung mit Urt. v. 18.2.2020 (VI ZR 115/19, VersR 2020 776 Rn 13) entschieden hat, gelten diese Grundsätze auch für die Abrechnung fiktiver Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten. Lediglich im Fall der konkreten Schadensabrechnung ist auf die Umstände desjenigen Zeitpunkts abzustellen, in dem der Zustand im Sinne von § 249 BGB hergestellt worden ist. Nach diesen Grundsätzen ist die am 9.2.2017 erfolgte Preiserhöhung in der Vergleichswerkstatt bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen. Denn die Beklagten haben den Ersatzanspruch des Klägers nicht vollständig erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sie nicht nur unberechtigte Abzüge bei den (Bei-)Lackierungskosten vorgenommen, sondern auch lediglich auf der Basis einer hälftigen Schadensteilung reguliert.
Rz. 137
Dem Kläger stand derzeit allerdings kein Anspruch auf Zahlung eines Umsatzsteueranteils in Höhe von weiteren 58,31 EUR zu. Da der Kläger den Weg der fiktiven Schadensabrechnung gewählt hatte und nach den getroffenen Feststellungen bislang nicht zu einer konkreten Berechnung seines Schadens auf der Grundlage der...