Rz. 28
Zitat
BGB §§ 249 Abs. 2 S. 1, 249 Abs. 2 S. 2
a) |
Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, und rechnet er den Schaden konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ab, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. |
b) |
Der Anspruch ist auf den Umsatzsteuerbetrag begrenzt, der bei Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre. |
a) Der Fall
Rz. 29
Die Beklagte hatte dem Kläger unstreitig den bei einem Verkehrsunfall am 20.12.2009 entstandenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen. Die Parteien stritten um die Ersatzfähigkeit geltend gemachter Umsatzsteuer, Nutzungsausfallentschädigung und Standkosten.
Rz. 30
Das Fahrzeug des Klägers war nach dem Unfall nicht mehr fahrbereit und nicht mehr verkehrssicher. Die Scheiben waren zerbrochen. Es wurde, nachdem es zunächst bis zum 22.12.2009 von der Polizei sichergestellt und untergestellt worden war, in eine Werkstatt geschleppt und dort zur Begutachtung und Schadensfeststellung durch einen Sachverständigen belassen. Der Kläger beauftragte den Sachverständigen am 23.12.2009. Das vom Sachverständigen erstellte Gutachten erreichte den Kläger am 4. oder 5.1.2010. In dem Gutachten wurden Reparaturkosten in Höhe von 9.768,94 EUR netto zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 1.856,10 EUR kalkuliert. Der Sachverständige bezifferte den Restwert auf 12.600 EUR und den Wiederbeschaffungswert auf 30.000 EUR (brutto). Der Kläger ließ sein Fahrzeug nicht reparieren, sondern verkaufte es und erwarb unter dem 7.1.2010 ein Ersatzfahrzeug zum Kaufpreis von 25.592,44 EUR zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 4.862,56 EUR. Die Beklagte regulierte den Fahrzeugschaden auf der Basis der Nettoreparaturkosten und zahlte für 16 Tage Nutzungsausfall in Höhe von täglich 59 EUR.
Rz. 31
Der Kläger hat Zahlung der auf Reparaturkostenbasis kalkulierten Umsatzsteuer (1.856,10 EUR), restliche Standgebühren in Höhe von 71,39 EUR und Nutzungsausfall für weitere 10 Tage in Höhe von 590 EUR verlangt.
Rz. 32
Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wandte sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 33
Die Revision war unbegründet.
Mit Recht bejahte das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der anteiligen Umsatzsteuer.
Rz. 34
Nach der Rechtsprechung des Senats stehen dem Geschädigten im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines "gleichwertigen" Ersatzfahrzeugs. Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte jedoch grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Dieses sogenannte Wirtschaftlichkeitspostulat findet gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Denn auch wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll der Geschädigte an dem Schadensfall nicht "verdienen".
Rz. 35
Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot hätte sich der Kläger für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis entscheiden müssen. Allerdings steht es dem Geschädigten frei, dem Wirtschaftlichkeitspostulat nicht zu folgen, sondern statt einer wirtschaftlich gebotenen Reparatur eine höherwertige Ersatzsache zu erwerben. In diesem Fall kann er aber nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot die (tatsächlich angefallenen) Kosten der Ersatzbeschaffung nur bis zur Höhe der Reparaturkosten verlangen, weil eine Reparatur den geringsten Aufwand zur Schadensbeseitigung erforderte.
Rz. 36
Damit war allerdings die Frage, ob der Kläger unter den Umständen des vorliegenden Falls den Ersatz anteiliger Umsatzsteuer verlangen kann, noch nicht beantwortet.
Rz. 37
Nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Mit dieser durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 (BGBl I 2674) eingeführten gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist. In diesen Fällen kommt es für den Ersatz der Umsatzsteuer nur darauf an, ob sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist, nicht aber welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat.
Rz. 38
Bei der fiktive...