Rz. 135
Das angefochtene Urteil hielt den Angriffen der Revision nicht stand. Das Berufungsgericht hatte bei der Bemessung der Höhe des dem Kläger entstandenen Fahrzeugschadens rechtsfehlerhaft die in der Vergleichswerkstatt L. am 9.2.2017 eingetretene Preiserhöhung nicht berücksichtigt und damit Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt.
Rz. 136
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs in Geld grundsätzlich nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung; im Rechtsstreit ist, wenn noch nicht vollständig erfüllt ist, der prozessual letztmögliche Beurteilungszeitpunkt, regelmäßig also der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, maßgeblich. Wie der Senat nach Erlass der angegriffenen Entscheidung mit Urt. v. 18.2.2020 (VI ZR 115/19, VersR 2020 776 Rn 13) entschieden hat, gelten diese Grundsätze auch für die Abrechnung fiktiver Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten. Lediglich im Fall der konkreten Schadensabrechnung ist auf die Umstände desjenigen Zeitpunkts abzustellen, in dem der Zustand im Sinne von § 249 BGB hergestellt worden ist. Nach diesen Grundsätzen ist die am 9.2.2017 erfolgte Preiserhöhung in der Vergleichswerkstatt bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen. Denn die Beklagten haben den Ersatzanspruch des Klägers nicht vollständig erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sie nicht nur unberechtigte Abzüge bei den (Bei-)Lackierungskosten vorgenommen, sondern auch lediglich auf der Basis einer hälftigen Schadensteilung reguliert.
Rz. 137
Dem Kläger stand derzeit allerdings kein Anspruch auf Zahlung eines Umsatzsteueranteils in Höhe von weiteren 58,31 EUR zu. Da der Kläger den Weg der fiktiven Schadensabrechnung gewählt hatte und nach den getroffenen Feststellungen bislang nicht zu einer konkreten Berechnung seines Schadens auf der Grundlage der Ersatzbeschaffung übergegangen war, konnte er derzeit nicht den anteiligen Ersatz der im Rahmen der Ersatzbeschaffung angefallenen Umsatzsteuer verlangen. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.
Rz. 138
Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Für die Berechnung von Fahrzeugschäden stehen dem Geschädigten regelmäßig zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Reparatur des beschädigten Fahrzeugs oder Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs. Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte dabei grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringeren Aufwand erfordert. Nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich (Wirtschaftlichkeitspostulat).
Rz. 139
Beschreitet der Geschädigte nicht den Weg des geringsten Aufwands, so entfällt sein Ersatzanspruch allerdings nicht, sondern ist der Höhe nach auf den nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats erforderlichen niedrigeren Betrag beschränkt.
So kann der Geschädigte, der statt der wirtschaftlich gebotenen Reparatur ein Ersatzfahrzeug erwirbt, die tatsächlich angefallenen Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe der – hypothetisch erforderlichen – Reparaturkosten beanspruchen (vgl. Senatsurteil vom 5.2.2013 – VI ZR 363/11 – VersR 2013, 471 Rn 12). Denn die Ersatzbeschaffung und die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs sind gleichwertige Arten der Naturalrestitution; bei der Abrechnung auf der Basis einer Ersatzbeschaffung oder einer Reparatur handelt es sich lediglich um unterschiedliche Arten der Schadensberechnung.
Rz. 140
Die unterschiedlichen Abrechnungsarten dürfen aber nicht miteinander vermengt werden. So ist insbesondere eine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung unzulässig.
Hierdurch soll nicht nur verhindert werden, dass sich der Geschädigte unter Missachtung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots die ihm vorteilhaften Elemente der jeweiligen Berechnungsart aussucht ("Rosinenpicken"), sondern auch den unterschiedlichen Grundlagen der jeweiligen Abrechnung Rechnung getragen und deren innere Kohärenz sichergestellt werden.
Dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten entsteht durch das Vermischungsverbot kein Nachteil. Auch wenn er seinen Fahrzeugschaden zunächst fiktiv abgerechnet hat, kann er später – im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung – grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen.
Rz. 141
Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer ni...