Rz. 1080

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt ein Anspruch aus enteignendem Eingriff voraus, dass eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme bei einem Betroffenen unmittelbar zu Nachteilen führt, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen.[3244] Da das Sonderopfer nicht – wie beim enteignungsgleichen Eingriff – mit der Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Maßnahme begründet werden kann, ist zu prüfen, ob die Einwirkungen auf die Rechtsposition des Betroffenen die Sozialbindungsschwelle überschreiten, also im Verhältnis zu anderen, ebenfalls betroffenen Personen eine besondere Schwere aufweisen oder im Verhältnis zu anderen nicht betroffenen Personen einen Gleichheitsverstoß bewirken. Ob in diesem Sinne eine hoheitliche Maßnahme die Sozialbindungsschwelle überschreitet oder sich noch als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums begreifen lässt, kann nur aufgrund einer umfassenden Beurteilung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden.[3245]

 

Rz. 1081

Ein Sonderopfer im öffentlichen Interesse ist regelmäßig zu verneinen, wenn sich der Betroffene freiwillig in eine gefährliche Situation begeben hat, deren Folgen dann letztlich von ihm herbeigeführt sind und deshalb grundsätzlich von ihm selbst zu tragen sind. Wer etwa schuldhaft den Anschein einer polizeilichen Gefahr hervorruft, hat keinen Anspruch aus enteignendem Eingriff auf Ersatz eines Vermögensschadens, der ihm aus einer hierauf zurückzuführenden polizeilichen Maßnahme entstanden ist, weil nicht in die Rechtssphäre eines unbeteiligten Dritten eingriffen sind, sondern der Betroffene selbst für die Sachlage verantwortlich ist, die eine Pflicht der Polizei zum Handeln begründet hat.[3246] Als eine Art allgemeines Prinzip formuliert der Bundesgerichtshof, dass es derjenige, der durch privates, auch erlaubtes Verhalten, einen Konflikt zwischen den privaten und öffentlichen Interessen hervorruft, hinnehmen muss, dass die Folgen regelmäßig seiner Sphäre zugeordnet werden und kein gleichheitswidriges Sonderopfer darstellen.[3247]

[3246] BGH, Urt. v. 14.2.1952 – III ZR 233/51, BGHZ 5, 144, 152 und v. 14.3.2013 – III ZR 253/12, BGHZ, 197, 43, Rn 7 sowie BGH, Urt. v. 15.12.2016 – III ZR 387/14, Rn 25; vgl. auch den Ausschluss eines Entschädigungsanspruchs nach § 5 Abs. 2 S. 1 StrEG, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Auch bei leicht fahrlässiger Verursachung kommt eine Versagung einer Entschädigung gemäß §§ 4, 5 Abs. 3 oder § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG in Betracht.

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