Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1160
Die sozialrechtlichen Haftungsbeschränkungen des gesetzlichen Unfallversicherungsrechts (§§ 104 ff. SGB VII – früher §§ 636, 637 RVO) stellen die Unternehmer und die Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen von der persönlichen Haftung frei, soweit es sich um Personenschäden in Folge eines Arbeitsunfalls handelt (vgl. dazu § 38 Rdn 204 ff.). Entsprechendes gilt bei Schulunfällen (vgl. dazu § 38 Rdn 269 ff.). Der nicht freigestellte Mitschuldner (Zweitschädiger) haftet nach der Rechtsprechung im Außenverhältnis nur in Höhe der auf ihn entfallenden Quote, die ohne die Haftungsbeschränkung im Innenausgleich unter Berücksichtigung des Haftungsanteils des privilegierten Mitschuldners (Erstschädigers) maßgeblich gewesen wäre. Dies gilt grundsätzlich für alle Fälle, in denen ein sozialversicherungsrechtlicher Haftungsausschluss eingreift oder nach öffentlichem Dienstrecht ein Schädiger neben einem Drittschädiger nicht in Anspruch genommen werden kann. Um zu klären, in welchem Umfang der nicht privilegierte Gesamtschuldner dem Geschädigten im Außenverhältnis haftet, bedarf es also vorab der Prüfung, welchen Anteil des Schadens dieser Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen hätte, wenn die Haftungsverteilung nicht durch die Regelung des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII gestört wäre. Dieser hypothetische Innenausgleich richtet sich maßgeblich nach der Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit dem Gewicht des Beitrags an der Schadensentstehung.
Rz. 1161
Steht fest, dass der Haftungsanteil des privilegierten Mitschuldners aufgrund der Abwägung seines mitwirkenden Verursachungsbeitrages haftungsrechtlich im Verhältnis zu dem Anteil des nicht privilegierten Mitschuldners vollständig zurücktritt, dann ist der Anspruch des Gläubigers nicht zu kürzen. Umgekehrt scheiden Ansprüche des Geschädigten aus, wenn feststeht, dass die Haftung des privilegierten Schädigers so weit überwiegt, dass die Haftung des nicht privilegierten Schädigers im Innenverhältnis zurücktritt. Dies gilt auch, wenn der privilegierte Schuldner im Innenverhältnis ohne die Haftungsprivilegierung allein verpflichtet wäre, weil er im Gegensatz zum nicht privilegierten Schuldner nachweislich schuldhaft gehandelt hat.
Rz. 1162
Sind Versicherte mehrerer Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.v. § 106 Abs. 3 SGB VII betrieblich tätig, gilt für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen ebenfalls die Haftungsprivilegierung der §§ 104, 105 SGB VII. Grundsätzlich kommt eine gesamtschuldnerische Haftung des nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers neben seinem nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII für Personenschäden haftungsprivilegierten Verrichtungsgehilfen nach §§ 831, 823, 840 Abs. 1 BGB in Betracht. Sofern der Verrichtungsgehilfe nachweislich schuldhaft gehandelt hat, ist der Unternehmer, wenn diesen keine eigene Verantwortlichkeit zur Verhütung des Schadens trifft, nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses dem Geschädigten gegenüber von der Haftung für erlittene Personenschäden freigestellt. Ein im Innenverhältnis zwischen dem Verrichtungsgehilfen und dem Geschäftsherrn etwa bestehender arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch bleibt dabei außer Betracht, da die Besonderheiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten Damit ist die Haftung des nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses beschränkt auf Fälle einer eigenen Verantwortlichkeit, etwa wegen der eigenen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder eines Organisationsverschuldens.