Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
a) Forderungsübergang
Rz. 246
Unfallschäden werden im Bereich der Personenschäden in großem Umfang durch die Leistungen von Sozialversicherungsträgern (insb. gesetzl. Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung) ausgeglichen. Dass der eigentlich Geschädigte dadurch schadensfrei gestellt wird, soll den Schädiger bzw. seinen Haftpflichtversicherer nicht entlasten. § 116 SGB X ordnet einen Anspruchsübergang auf den leistenden Sozialversicherungsträger an (näher § 37 A). Der Geschädigte verliert dadurch die Aktivlegitimation. Für die Geltendmachung der Unfallschäden ist er, soweit er kongruente Leistungen bekommt, nicht (mehr) legitimiert. Zahlreiche Regulierungen und damit zusammenhängende Rechtsstreitigkeiten finden deshalb zwischen Sozialversicherungsträgern und dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer statt. Da der leistende Sozialversicherungsträger durch den Anspruchsübergang quasi in die Rolle des Unfallopfers schlüpft, kommt es materiellrechtlich darauf an, wie die Regulierung abzulaufen hätte bzw. der Rechtsstreit zu entscheiden wäre, wenn das Unfallopfer selbst den Anspruch geltend machen würde. Zu den haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Tatbeständen hat der Sozialversicherungsträger mithin ebenso vorzutragen und zu beweisen, wie es auch das Unfallopfer selbst tun müsste. Hinzu kommt lediglich die Prüfung, ob die vom Sozialversicherungsträger erbrachten Leistungen zu den Schadensersatzansprüchen des Opfers kongruent sind. Erbringt also etwa ein Unfallversicherungsträger dem Geschädigten Leistungen, so kann er diese nicht ohne Weiteres unter Berufung auf § 116 SGB X vom Schädiger erstattet verlangen. Soweit etwa solche Leistungen mit einem eingetretenen Erwerbsschaden kongruent wären, muss der Unfallversicherungsträger beweisen, dass der Geschädigte auch tatsächlich einen nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu bejahenden Erwerbsschaden erlitten hat.
b) Gesetzliche Unfallversicherung
Rz. 247
Die Aktivlegitimation von Unfallopfern fehlt sehr häufig deshalb, weil Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung bestehen, auf die die Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger bereits im Unfallzeitpunkt übergegangen sind (dazu auch § 37). Oft wird dies erst sehr spät erkannt, was zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Denn wenn Unfallversicherungsschutz besteht, ist der Unfallversicherungsträger im Hinblick auf die von ihm zu erbringenden Leistungen alleine regulierungsbefugt; insbesondere besteht dann keine Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung.
Rz. 248
Der Schutz der Unfallversicherung begleitet jeden praktisch von der "Wiege bis zur Bahre". Wer Unfallhaftungsfälle bearbeitet, muss deshalb unbedingt die Tatbestände der §§ 2 ff. SGB VII kennen. Versichert sind danach Betriebs- und Wegeunfälle (§ 8 Abs. 1 und 2 SGB VII) zahlreicher Personengruppen (z.B. Kindergartenkinder, Schüler, Auszubildende, Studenten, Berufstätige, aber auch Hilfeleistende, Zeugen, Freizeitsportler, ehrenamtlich Tätige u.v.a.m.). Auch zahlreiche Selbstständige sind freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (vgl. § 6 SGB VII). Schon das ungeborene Kind kann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, wenn es aufgrund eines Unfalls der Mutter Schaden erleidet (vgl. § 12 SGB VII). Wird erkannt, dass die gesetzliche Unfallversicherung eintrittspflichtig ist, muss der Geschädigte unbedingt darauf hingewiesen werden. Denn die Leistungen dieser Versicherung sind unter Umständen wesentlich höher als die des Unfallgegners. Das gilt insbesondere, wenn dieser nur mit einer Quote haftet. Eine Quotierung nach dem Maß der Verursachung des erlittenen Schadens findet in der Unfallversicherung nicht statt.
c) Haftungsausschlüsse
Rz. 249
Nicht selten sind zivilrechtliche Ansprüche eines Unfallopfers gem. den §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen (näher dazu § 38 Rdn 1 ff.).
Rz. 250
Die gesetzliche Unfallversicherung verlagert den Schadensausgleich bei "Arbeitsunfällen" aus dem individualrechtlichen in den sozialrechtlichen Bereich. Die zivilrechtliche Haftung des Unternehmers bzw. Kollegen für fahrlässiges Verhalten bei Personenschäden wird durch die öffentlich-rechtliche Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung abgelöst. Verbunden mit dieser Ablösung ist eine entsprechende Haftungsfreistellung der Betriebsangehörigen. Die gesetzliche Regelung dient u.a. dem Schutz des Geschädigten durch Einräumung eines vom Verschulden unabhängigen Anspruchs gegen einen leistungsfähigen Schuldner. Der Geschädigte muss weder ein Verschulden des Schädigers nachweisen noch sich ein eigenes Mitverschulden anrechnen lassen. Die sozialrechtlichen Ansprüche werden, falls ein Versicherungsfall vorliegt, ohne Verzögerung durch langwierige und mit dem Risiko eines Zivilprozesses behaftete Auseinandersetzungen mit dem Schädiger reguliert. Dazu bedarf es n...