Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
a) Streupflicht für den Fahrzeugverkehr
Rz. 1032
Insoweit ist grundlegend die Unterscheidung danach, ob sich der Unfall innerorts oder außerhalb geschlossener Ortslage ereignet hat.
b) Verkehrsflächen außerhalb geschlossener Ortslagen
Rz. 1033
Die gesetzliche Regelung, dass nach besten Kräften oder im Rahmen des Zumutbaren zu streuen und zu räumen ist (vgl. etwa § 9 Abs. 3 StrWG NRW) begründet keine Pflicht, alle Teile der Straße zu jeder Zeit und vollständig gegen Glättebildung zu sichern. Das wäre schlechterdings nicht leistbar. Der sicherungspflichtige Hoheitsträger hat vielmehr ein Ermessen, ob und in welchem Umfang er Sicherungsmaßnahmen ergreift, wie er den Winterdienst organisiert und seine notwendigerweise – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – begrenzten Kräfte einsetzt.
Rz. 1034
Außerhalb geschlossener Ortslagen ist nur an besonders gefährlichen Stellen zu räumen und zu streuen. Geschlossene Ortslage ist eine zusammenhängende Wohnbebauung, die allerdings nicht beidseits der Straße vorhanden sein muss. Das äußere Gepräge der Lage ist entscheidend, sodass es auf die verkehrsrechtliche Begrenzung des innerörtlichen Bereichs durch Ortsschilder nicht ankommt. Eine besonders gefährliche Stelle ist anzunehmen, wenn der aufmerksame Straßennutzer trotz höherer Sorgfalt infolge der winterlichen Verhältnisse den gefahrbegründenden Straßenzustand nicht rechtzeitig erkennen kann. Daran fehlt es, wenn nach allgemeiner Erfahrung mit einer spezifischen Gefahr zu rechnen ist. Dazu gehört die Neigung zur Glättebildung auf Brücken, auf Kanal- und Schachtabdeckungen; bekannte Gefahren sind auch solche, die sich aus der Anlage der Straße selbst ergeben. Neben einer besonders gefährlichen Stelle muss es sich um eine verkehrswichtige Straße handeln, womit nur schwach befahrene Straßen insgesamt aus der Winterdienstpflicht ausscheiden. Die Verkehrswichtigkeit beurteilt sich vorrangig nach der tatsächlichen Verkehrsbedeutung und dem Verkehrsaufkommen; dass etwa § 3 Abs. 3 StrWG NRW Kreisstraßen als Straßen mit "überörtlicher Bedeutung" definiert, führt nicht gleichsam zur Annahme einer Verkehrswichtigkeit.
Rz. 1035
Dass außerhalb geschlossener Ortslagen Winterdienstpflichten nur in ganz eingeschränktem Maße greifen, gilt dem Grundsatz nach auch für Bundesfernstraßen; auch sie sind nur an besonders gefährlichen Stellen zu räumen und/oder zu streuen, wozu kleinere Brücken nicht gehören.
c) Straßen innerhalb geschlossener Ortslage
Rz. 1036
Innerhalb geschlossener Ortslagen sind Fahrbahnen der Straßen bei winterlichen Verhältnissen nur an zugleich gefährlichen und verkehrswichtigen Stellen zu räumen und zu streuen. Dabei kommt es auf die Erkennbarkeit der Gefahr, das Ausmaß drohender Schäden und die berechtigte Erwartung des Verkehrs auf der einen Seite und die Zumutbarkeit von Abhilfemaßnahmen auf der anderen Seite an.
Rz. 1037
Verkehrswichtig sind die innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen, insbesondere solche, die in den Zentren liegen, Ortsdurchfahrten und stark frequentierte Verbindungswege, die beispielsweise der Erschließung von Versorgungseinrichtungen (Einkaufsmärkte, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser) dienen. Reine Anliegerstraßen ohne bzw. mit nur geringem Durchgangsverkehr sind nicht verkehrswichtig.
Rz. 1038
Gefährlich im Sinne der Rechtsprechung können Stellen sein, bei denen sich die aus Glättebildung resultierenden Gefahren für den Fahrverkehr besonders auswirken können, etwa weil gebremst oder die Fahrtrichtung geändert werden muss oder bei Gefällestrecken. Entscheidend sind allerdings die Umstände des Einzelfalls. Im Falle einer reinen Anliegerstraße vermag allein ein Gefälle von 10 % noch keine Gefährlichkeit zu begründen, wenn die Nutzer mit dem Auftreten von Glätte rechnen müssen. Einmündungen auch untergeordneter Nebenstraßen können im Einzelfall dazu gehören. Die vorgenannte Rechtsprechung nimmt dabei an, dass bei Glätte die nicht vorfahrberechtigten Verkehrsteilnehmer der untergeordneten Straße unter Umständen drohen, in die bevorrechtigte (verkehrswichtige) Straße hereinzurutschen, da sie etwa bedingt durch ein Gefälle oder eine Unübersichtlichkeit des Einmündungsbereichs glättebedingt nicht abzubremsen vermögen. Deshalb nehme in solchen Fällen auch der Einmündungsbereich der Nebenstraße an der Verkehrsbedeutung der Hauptverkehrsstraße teil. Diese Auffassung ist jedoch nicht unumstritten und wird von weiten Teilen der Rechtsprechung nicht geteilt, etwa da eine Einbeziehung derartiger Einmündungsbereiche in den kommunalen Winterdienst in zeitlicher und wirtschaftlicher Sicht nicht für zumutbar erachtet wird.
Rz. 1039
Die Frage der Gefährlichkeit und Verkehrswichtigkeit einer Straße kann im Einzelfall abweichend vom sonstigen Gepräge der Straße zu beurteilen sein, wenn ein erh...