Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 337
Die Verkehrssicherungspflicht für ein Grundstück trifft denjenigen, der über es die Verfügungsgewalt ausübt. Für die Verkehrssicherheit eines Gebäudes oder Grundstücks ist daher in erster Linie der Eigentümer verantwortlich. Daneben haben auch die Mieter einer Wohnung, einer Gaststätte oder sonstiger Geschäftsräume für die Verkehrssicherheit des Mietobjekts Sorge zu tragen. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht richtet sich nach den konkreten örtlichen Verhältnissen und der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen. In ländlichen Gegenden können die Anforderungen geringer sein als in Städten. In alten Häusern gelten geringere Anforderungen als in modernen Gebäuden. Auch in Privathäusern und auf Privatgrundstücken sind an die Verkehrssicherungspflicht geringere Anforderungen zu stellen als an Orten, zu denen die Öffentlichkeit Zutritt hat. In einem Einfamilienhaus gelten ebenfalls geringere Anforderungen als in einem von mehreren Parteien bewohnten Mietshaus.
Rz. 338
Der Eigentümer kann sich bei erkannten oder erkennbaren Gefahren nicht zu seiner Entlastung auf eine baurechtliche Genehmigung berufen (vgl. dazu Rdn 278). Denn die Erteilung der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis verfolgt andere Zwecke als die auf den Integritätsschutz von Personen ausgerichtete und deshalb in ihrer Zielsetzung umfassendere Verkehrssicherungspflicht.
a) Treppen
Rz. 339
Treppen müssen so beschaffen sein, dass Unfälle vermieden werden, die sich durch Stürze ereignen können. Sie müssen sich in einem auch für den eiligen und unvorsichtigen Benutzer gefahrlosen Zustand befinden. Für eine Außenkellertreppe, die nicht zum Betreten des Gebäudes vorgesehen ist und außerhalb des Grundstücksteiles liegt, den Besucher auf ihrem Weg zum Haus betreten müssen, besteht hingegen keine Verkehrssicherungspflicht. Treppen müssen standsicher sein und in der Regel ein Geländer oder einen Handlauf aufweisen, auch wenn sie in älteren Gebäuden eingebaut sind. Eine Treppenstufe muss so beschaffen sein, dass sie nicht durchbricht, wenn sie im Rahmen ihrer Belastbarkeit betreten wird. Geschieht dies dennoch, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit einer mangelhaften Unterhaltung für den Schadenserfolg. Grundsätzlich spricht der erste Anschein dafür, dass derjenige, der auf einer Treppe stürzt, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, sofern nicht objektive Umstände vorliegen, die eine andere Ursache für den Sturz als möglich erscheinen lassen. Fällt jemand allerdings auf einer übermäßig glatten Treppe, spricht die Lebenserfahrung dafür, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ursächlich war.
Rz. 340
Grundsätzlich müssen Treppen einen Handlauf haben. Bei breiten Treppen müssen auf beiden Seiten Handläufe angebracht sein. Treppen mit fünf und weniger Stufen, die ihrer Anlage und Breite nach ohne Gefährdung begangen werden können, müssen dagegen nicht mit einem Geländer ausgestattet sein. Handlauf und Geländer sind so Instand zu halten, dass sie sicheren Halt bieten und die Treppenbenutzer nicht gefährden. Die Bestimmungen der Landesbauordnungen, die für Treppen Handläufe und Geländer vorsehen, stellen Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.
Rz. 341
Der Eigentümer ist nicht verpflichtet, Wohngebäude mit bruchsicherem Glas nachzurüsten. In Treppenhäusern ist bruchsicheres Glas zu verwenden; auch die Hauseingangstür ist mit weitgehend bruchsicherem, jedenfalls Splitter bindendem Glas auszustatten.
Der Bereich eines Notausgangs muss so beschaffen sein, dass Menschen das Gebäude auch in einer Ausnahmesituation sicher verlassen können. Vor oder hinter dem Notausgang dürfen sich daher keine erheblichen Niveauunterschiede befinden.