Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1119
Haften mehrere Gesamtschuldner für einen Schaden ausschließlich nach Kopfteilen, dann ist die Last, die jeder einzelne Schuldner letztlich tragen muss, umso geringer, je größer die Zahl der Schuldner ist. Geht es aber um die Frage, in welchem Umfang ein bestimmter Umstand zur Schadensentstehung beigetragen hat, dann ist die Zahl der Schuldner, die nach dem Unfall zum Schadensersatz herangezogen werden können, ohne relevante Bedeutung. Verursacht etwa ein Pkw-Fahrer, der selbst Halter des Fahrzeugs ist, einen Verkehrsunfall, dann ergibt sich der Beitrag zum Schadenseintritt aus den Faktoren, die im Verhalten des Fahrers und im Zustand des Fahrzeugs angelegt sind. Verursacht der gleiche Fahrer den gleichen Unfall mit dem Pkw eines fremden Halters, so steht dem Geschädigten der gem. § 7 StVG haftende Halter neben dem gem. § 18 StVG haftenden Fahrer als zusätzlicher Gesamtschuldner gegenüber. Der bei dem Unfall wirksam gewordene Schadensverursachungsbeitrag wird dadurch aber weder erhöht noch verringert. Erst recht gilt dies für die Kfz-Haftpflichtversicherung. Gem. § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG steht sie dem Geschädigten als dritte Gesamtschuldnerin gegenüber. Auch dies ist für den Schadensverursachungsbeitrag, der von dem Pkw ausgegangen ist, ohne Relevanz. Die Versicherung haftet nur mit, hat aber selbst keinen Schadensverursachungsbeitrag geleistet.
Rz. 1120
Um die Ausgleichspflicht der haftenden Gesamtschuldner zutreffend bemessen zu können, greift die Rechtsprechung auf die Rechtsfigur der Haftungseinheit zurück. Eine solche besteht, wenn der Ursachenbeitrag mehrerer haftender Gesamtschuldner letztlich identisch ist. Die Schadensverursachungsbeiträge dieser Personen sind dann zu einer Einheit verschmolzen; diese Personen sind für die Gesamtschau neben weiteren Schädigern und Geschädigten wie ein einziger Schädiger zu behandeln. Eine Haftungseinheit wird angenommen, wenn eine isolierte Betrachtung der Beiträge von Schädigern nicht angemessen erscheint. Das ist regelmäßig der Fall, wenn sich einzelne Verursachungsbeiträge zwangsläufig gemeinsam auswirken. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine solche Gruppenbildung geboten, um sachlich nicht gerechtfertigte Verschiebungen der Haftungsquote zu vermeiden. Die Haftungseinheit soll vermeiden, dass im Wesentlichen identische Verursachungsfaktoren zum Nachteil der Schädiger doppelt in Ansatz kommen.
Rz. 1121
Die Annahme einer derartigen Haftungseinheit kann zunächst einmal in den Fällen geboten sein, in denen für eine konkrete Schadenszufügung aus rechtlichen Gründen eingetreten werden muss. So können z.B. ein Schuldner und sein Verrichtungsgehilfe oder ein Schuldner und sein Erfüllungsgehilfe eine Haftungseinheit bilden.
Weitere Beispiele solcher Haftungseinheiten können sein: Halter und Fahrer desselben unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges sowie der Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs, und schließlich Pferdehalter und Reiter.
Rz. 1122
Mehrere Schädiger können auch aufgrund der tatsächlichen Gestaltung zu einer Haftungseinheit verbunden sein. Das gilt für Fallgestaltungen, bei denen sich das Verhalten mehrerer Schädiger in ein und demselben unfallbedingten Ursachenbeitrag ausgewirkt hat, bevor der von einem anderen Beteiligten – der auch der Geschädigte selbst sein kann – zu vertretende Kausalverlauf hinzutritt.
Rz. 1123
Eine Haftungseinheit aus tatsächlichen Gründen hat die Rechtsprechung z.B. in folgenden Fällen angenommen:
Der Geschädigte fuhr in der Dunkelheit auf einen auf der Straße stehenden Anhänger auf. Der Anhänger war wegen eines technischen Defekts dort von dem Lkw-Fahrer abgestellt worden. Ein mit dem Abschleppen des Anhängers beauftragter Dritter hatte dies unterlassen. Der Ursachenbeitrag des Dritten sowie diejenigen von Fahrer und Halter des Lkw wirkten sich als einheitliche Gefahr aus. Sie hafteten daher auf eine einheitliche Quote.
Rz. 1124
Ein Pkw-Fahrer wurde verletzt, als der Pkw auf einem Bahnübergang mit einer Lokomotive kollidierte. Das Rotlicht des Bahnüberganges war nicht sichtbar, weil es durch Zweige angrenzender Bäume verdeckt war, die die Kommune zur Wegesicherung hätte zurückschneiden müssen. Auch hier waren die Kommune und der Bahnunternehmer als Haftungseinheit zu behandeln und hafteten auf eine einheitliche Quote.
Rz. 1125
Die beiden Fahrer der an einem Erstunfall beteiligten Fahrzeuge bilden gegenüber dem Geschädigten des infolge des Erstunfalls geschehen Zweitunfalls eine Haftungseinheit.
Rz. 1126
Ein Feuerwehrmann wurde bei Löscharbeiten an einer Halle verletzt, die durch Schweißarbeiten in Brand geraten war. Für die Entstehung des Brandes waren der Verwalter der Halle, die Person, die mit einem Schweißgerät Arbeiten an einem Kfz vorgenommen hatte, sowie der Eigentümer des Schweißgerätes verantwortlich. Die Tatbeiträge dieser drei Personen waren zu einem Ursachenanteil vereinigt und hatten gemeinsam zur Entstehung des Feuers geführt, bevor der Verursachun...