Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 651
Die Haftung nach § 31 BGB umfasst nur solche zum Schadensersatz verpflichtenden Handlungen, die der Organwalter in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen vornimmt. Der Organwalter darf deshalb nicht lediglich als Privatperson tätig geworden sein. Zwischen dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis und der schädigenden Handlung muss ein sachlicher, nicht bloß zufälliger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang bestehen. Die schädigende Handlung muss nicht durch die Vertretungsmacht des Organwalters gedeckt sein oder zu dessen Geschäftsaufgaben gehören. Die Haftung nach § 31 BGB betrifft auch und gerade die schädigenden Handlungen, mit denen der Organwalter seine Vertretungsmacht überschritten oder seine Organstellung missbraucht hat. Die Haftungszurechnung entfällt erst für Handlungen, mit denen sich der Organwalter aus der Sicht eines Außenstehenden so weit von seinem Aufgabenkreis entfernt hat, dass der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint oder die er ohne sachlichen Zusammenhang nur bei Gelegenheit der Ausführung der Verrichtungen ausgeführt hat. In diesen Fällen haftet der Organwalter allein.
Rz. 652
Ersatzberechtigter Dritter im Sinne des § 31 BGB kann auch ein Vereinsmitglied sein, sofern eine ihm gegenüber bestehende satzungsmäßige Pflicht schuldhaft verletzt wurde, etwa bei einem rechtswidrigen Vereinsausschluss oder Schlechtleistung eines Lohnsteuerhilfevereins. Denn die Vereinsmitgliedschaft ist ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Sogar ein Vorstandsmitglied kann ersatzberechtigter Dritter sein, vorausgesetzt, er ist für das schädigende Ereignis nicht selbst verantwortlich.
Rz. 653
§ 31 BGB schließt – anders als bei der Beamtenhaftung, bei der die Haftung des Amtsträgers durch Art. 34 S. 1 GG in Verbindung mit § 839 Abs. 1 BGB auf die Anstellungskörperschaft übergeleitet wird – die Haftung des verfassungsmäßigen Vertreters nicht aus. Bei deliktischem Handeln haften Organwalter und Körperschaft als Gesamtschuldner. Denn im Deliktsrecht herrscht der Grundsatz, dass derjenige auf Schadensersatz nach den §§ 823 ff. BGB in Anspruch genommen werden kann, der in seiner Person verantwortlich die Tatbestandsmerkmale der unerlaubten Handlung erfüllt. § 31 BGB weist die Haftung auch der Körperschaft zu, befreit den Handelnden jedoch nicht davon. Im Innenverhältnis kann dem Verein ein Freistellungsanspruch gegen den Organwalter zustehen, der die schädigende Handlung zu verantworten hat, wenn dieser die Sorgfalt eines ordentlichen Sachwalters schuldhaft außer Acht gelassen hat (§ 27 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 664–670 BGB). Praktisch bedeutsam wird die persönliche Haftung des Organwalters für das pflichtwidrige Nichtabführen von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 266a, 14 StGB oder für Steuervergehen. Beides setzt mindestens bedingten Vorsatz voraus. Inwieweit sich die Rechtsprechung der in der Literatur geäußerten Ansicht anschließen wird, dem Vereinsvorstand stehe ein der aktienrechtlichen Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) nachempfundener Ermessensspielraum – und damit ein abgemilderter Haftungsmaßstab – bei unternehmerischen Entscheidungen zu, bleibt abzuwarten.
Rz. 654
Die Haftung aus § 31 BGB schließt begrifflich eine solche nach § 831 BGB aus; denn die erste Bestimmung fordert eine Selbstständigkeit des Vertreters, die bei der zweiten Vorschrift gerade fehlen muss. Die betreffende Person kann entweder Gehilfe nach § 831 BGB oder Vertreter nach § 31 BGB sein. Die §§ 30, 31 BGB bieten dem durch sie Haftenden – anders als § 831 BGB – keine Entlastungsmöglichkeit.