Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 351
In Geschäften, Warenhäusern und Selbstbedienungsmärkten werden hohe Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten gestellt, denn durch den erwarteten starken Besucherverkehr entstehen wesentlich größere Gefahren als in kleinen Ladengeschäften. Der Umfang der Verkehrspflichten hängt u.a. von der Kundenfrequenz, der Witterung sowie dem von den zum Verkauf angebotenen Waren ausgehenden Gefahrenpotential ab. Deshalb gelten in Selbstbedienungsgeschäften mit weniger Verkaufspersonal keine geringeren Anforderungen als dort, wo der Verkäufer den Kunden bedient. Besondere dem großen Kundenandrang Rechnung tragende Einrichtungen wie Rolltreppen, Aufzüge, Parkhäuser und Tiefgaragen begründen spezifische Gefahren, denen begegnet werden muss. Die Verkehrssicherungspflicht des Inhabers eines Geschäftslokals erstreckt sich auch auf die Ein- und Ausgänge, nicht aber auf den öffentlichen Verkehrsweg vor dem Eingang des Geschäfts. Die Zugänge einschließlich der Treppenanlage muss so beschaffen sein, dass sich ein Besucher selbst bei Ablenkung durch Publikumsverkehr bei eigener Vorsicht gefahrlos bewegen kann. Daran fehlt es, wenn der Stufenabsatz die nach DIN 18.065 vorgeschriebene maximale Treppensteigung von 19 cm übersteigt. Die Verkehrssicherungspflicht dauert so lange an, wie sich Kunden im Verkaufsbereich aufhalten; dies kann auch nach dem offiziellen Ladenschluss sein. Die Schaufenster müssen in Abständen daraufhin kontrolliert werden, ob ihre Befestigung noch den geltenden DIN-Vorschriften entspricht. In Fußgängerbereichen müssen vorhandene Glasflächen ausreichend gesichert sein. Gleiches gilt, wenn durchsichtige Materialien in Gebäuden oder sonstigen Anlagen verwendet werden, zu denen Personen Zugang haben.
Rz. 352
Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den betriebssicheren Zustand des Fahrstuhls und der Rolltreppe, die bei einer Gefahr sofort abstellbar sein müssen. Eine außer Betrieb gesetzte Rolltreppe erfordert nicht, die Rolltreppe für den Verkehr zu sperren oder einen Warnhinweis auf den Stillstand der Treppe anzubringen. Der Betreiber eines Aufzugs ist im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nicht gehalten, einen älteren Aufzug mit modernen Warnvorrichtungen gegen Halteungenauigkeiten (die Fahrstuhlkabine stoppt nicht exakt auf dem Niveau des Bodens) auszustatten und dem neueren technischen Standard anzupassen, solange der Fahrstuhl noch den technischen Anforderungen des Errichtungszeitraums entspricht und – nach neueren Vorschriften – nicht nachgerüstet oder stillgelegt werden muss (vgl. Rdn 280). Die Verkehrssicherheit fordert nur, dass die nach den technischen Möglichkeiten erreichbare Sicherheit geboten wird, wobei auf den Zeitpunkt des Einbaus der Anlage abzustellen ist.
Rz. 353
Die Anforderungen an die Verkehrssicherheit der Fußböden, insbesondere an deren Auswahl und Unterhaltung, sind sehr hoch, da gerade in der Nähe von Ein- und Ausgängen oft Gedränge herrscht, die Kunden auf die Auslagen und Verkaufsstände schauen und nicht ständig auf die Bodenbeschaffenheit achten. Der Belag ist daher so auszuwählen und zu unterhalten, dass Stand- und Trittsicherheit der Kunden selbst dann noch gewährleistet sind, wenn sie sich auf die in den Regalen ausgestellten Waren konzentrieren. Mit Niveauunterschieden von 1 bis 1,5 cm in einem Plattenbelag im Innenbereich eines Einkaufszentrums müssen die Besucher nicht rechnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist derjenige Bodenbelag zu verlegen, der bei Feuchtigkeit und Nässe die größtmögliche Rutschfestigkeit bietet. Von dem Bodenbelag dürfen sich keine Teile der Beschichtung lösen können. Der Verkehrssicherungspflichtige ist für eine regelmäßige Bodenreinigung in kurzen Abständen verantwortlich. Er muss organisatorisch sicherstellen, dass eine bestimmte Person in regelmäßigen und kurzen Abständen den Boden reinigt und dass dies auch durch die Laden- oder Abteilungsaufsicht überwacht wird. Er hat entsprechende Anweisungen an sein Personal zu erteilen. Die zeitlichen Abstände zwischen den erforderlichen Kontrollen hängen von den jeweiligen konkreten Verhältnissen ab, wie der Kundenfrequenz, der Witterung und dem Gefahrenpotenzial, das vom Warensortiment ausgeht. Die Inhaber großer und schwer überschaubarer Verbrauchermärkte und von Einkaufsmeilen müssen einen für die Reinigung Verantwortlichen bestimmen, um zu gewährleisten, dass auch bei großem Kundenandrang eine ordnungsgemäße Reinigung erfolgt. Ob dies auch für Geschäfte mittlerer Größe gilt, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Eine ununterbrochene Kontrolle des Fußbodens kann nicht verlangt werden, aber die Kontrolle in angemessenen kurzen zeitlichen Abständen.
Rz. 354
Der Fußboden in Obst- und Gemüseabteilungen, an Backständen sowie im Kassen- und Einpackbereich ist in kurzen Abständen, etwa alle 15 bis 20 Minuten zu reinigen, da hier heruntergefallene Wa...